Ersteindruck zu Chihaya Kuroiwas „einsamer Falke“
Nachdem uns bereits die Boys-Love-Titel von Egmont Manga des vergangenen Monats gefielen, werfen wir heute einen Blick auf den neuen Einzelband des Verlags: einsamer Falke von Chihaya Kuroiwa. Man verspricht in der offiziellen Verlagsvorschau einen expliziten Oneshot. Ob das Marketing Wort hält und wie es um die sonstige Qualität des Titels steht, behandeln wir in der folgenden Rezension.
Zuerst zur allgemeinen Aufmachung: Der Einzelband für 7,50 Euro (D) ist komplett matt gehalten und enthält eine doppelseitig bedruckte Farbseite bei einem Gesamtumfang von 178 Seiten. Werbung für andere Titel des Verlags enthält das Buch dabei nicht – jede Seite ist ausschließlich dem Werk selbst gewidmet. Die erwähnte kolorierte Hochglanz-Seite zeigt auf der Vorderseite den leicht bekleideten Protagonisten Hotaka mit laszivem Blick. Auf der Rückseite ist das gut lesbare Inhaltsverzeichnis platziert.
Platzierung ist hierbei ein gutes Stichwort. So ist bei der deutschen Publikation der Name der Autorin auf dem Cover leider im Bauchbereich der einen Hauptfigur positioniert. Die ansonsten sehr ansprechende Gestaltung erscheint dadurch leider unterbrochen. In der japanischen Ausgabe ist erwähnter Hautbereich freigehalten und nicht von Schrift überdeckt. Ebenso achtete der französische Verlag auf ein entsprechendes Design. Letztlich kommt es allerdings auf den Inhalt an, welchem wir uns als nächstes widmen.
Handlung
Yusei hat bereits seit der Oberschule drei Vorlieben an Menschen: schwarzhaarig, schlank und schön. Doch kein Mädchen kann all diese Anforderungen erfüllen, sodass er zu seiner Schulzeit keine innige Liebesbeziehung eingehen konnte. Auch nicht als ihm sein jüngerer und vor allem männlicher Kohai namens Hotaka, auf den eben jene Eigenschaften ganz genau zutreffen, seine Gefühle gesteht. Er verschmäht ihn, lehnt ihn strikt ab. Beide Schüler machen ihren Abschluss.
Jahre später kommt es zu einer anscheinend zufälligen Begegnung: Yuseis Vorgesetzter möchte diesem seinen Lebenspartner vorstellen, den er erst kürzlich kennengelernt habe. Man sei per Zufall auf die gemeinsame Bekanntschaft aufmerksam geworden und möchte nun ein Wiedersehen arrangieren. Es handelt sich – du hast es sicherlich bereits geahnt – um Hotaka, jenen jüngeren Club-Kollegen aus der Oberschule.
KODOKUNA TAKA HA HITO KOISHIKUTE by Chihaya Kuroiwa © 2015 Chihaya Kuroiwa by FRANCE SHOIN.
Dieser ist zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen und noch immer in besagtem Beuteschema von Yusei: Seine Statur ist groß und schlank, sein Haar erscheint in einem kräftigen Schwarz und sein Blick ist absolut bestechend. Aufgrund eines plötzlichen Zwischenfalls verabschiedet sich der erwähnte Vorgesetzte, sodass die beiden nun alleine in einem Restaurant sitzen und Gelegenheit haben, bei dem ein oder anderem Bier über die alten Zeiten zu reden – so ist es zumindest angedacht. Die Zeit vergeht und mittlerweile ist es tiefste Nacht.
Als der Geschäftsmann im Halbschlaf erwacht, vernimmt er ein seltsames Gefühl in seiner Leistengegend. Eine seltsame Stimulation seines Körpers. Als er nach unten blickt, erkennt er, dass der hübsche Hotaka aufreizende Stellung bezogen hat. „Wie groß der ist! ♥“ schallt aus dem Mund des jüngeren Mannes zu Yuseis Ohren. Aber was macht dieser überhaupt – noch dazu in dieser Position?
Eigentlich dachte Yusei, dass der selbstbewusste Schönling mit seinem Chef, Herrn Ueda, liiert sei. Ist es die einfache Lust, die Hotaka übermannt, oder verbirgt sich womöglich ein tieferliegenderes Motiv hinter diesem prekären Akt sexueller Annäherung? Der Einzelband einsamer Falke stellt die Antworten auf diese Frage bereit und überrascht insbesondere durch das Maß der enthaltenen Anzüglichkeit.
Zeichenstil
Da der Manga als explizit beworben wird, haben wir weiterhin überprüft, ob dieses Versprechen auch visuell umgesetzt wird. Die Antwort darauf ist überwiegend bejahend. Wichtige Szenen sind mehrheitlich sehr erkennbar dargestellt. Lediglich kleine weiße Glanzpunkt begleiten das primäre Geschlechtsorgan Yuseis, überdecken dieses aber nicht.. Es bleibt somit vollkommen deutlich abgebildet – auch im Detailreichtum absolut ausreichend.
In tendenziell kleineren Panels ist allerdings eine großflächigere Zensur angewandt, sodass hierbei die eigene Fantasie der Leserschaft beizuordnen ist. Dafür sind diese ansonsten vernünftig ausgearbeitet. Die Figuren erscheinen zumeist wohl proportioniert und setzen ein breites Repertoire an unterschiedlicher Mimik auf. Das Charakterdesign ist etwas stereotypisch, aber zweckdienlich und sicherlich ansprechend entworfen.
Außerdem sind vorhandene Hintergründe zu loben. Nicht unbedingt wegen ihrer ausnahmslosen Güte, aber bereits aufgrund ihrer Existenz. Hintergründe in Boys-Love-Manga sind noch immer rar gesät. Rasterfolie findet passende Verwendung und erscheint zu keinem Zeitpunkt deplatziert. Insofern ist das Gesamtbild hinsichtlich der Zeichnungen von Mangaka Chihaya Kuroiwa gesamtheitlich als positiv zu beurteilen.
Storytelling
Obwohl die Geschichte relativ simpel um die angestrebten Szenen für das reifen Publikums gestrickt zu sein scheint, bemühte man sich auf jeden Fall um eine nachvollziehbare Geschichte. Zwar ist der grundlegende Verlauf typisch für das Genre und fand bereits mehrfach Verwendung, ist in der Art und Weise der Darstellung allerdings durchaus vertretbar, um die enthaltene Erotik inhaltlich einzubetten.
Dass das Storytelling nicht vernachlässigt wurde, beweist hierbei unter anderem der geschickte Wechsel in der Erzählperspektive, mit welchem im Verlauf die Emotionen beider Hauptfiguren dargelegt werden. Weiterhin schafft man auch innerhalb der Handlung wiederholt Rückbezug zu vergangenen Zeitebenen. Der Einzelband zeichnet somit ein breites Bild der Ereignisse – im Rahmen seiner räumlichen Möglichkeiten.
Poster-Aktion | KODOKUNA TAKA HA HITO KOISHIKUTE by Chihaya Kuroiwa © 2015 Chihaya Kuroiwa by FRANCE SHOIN.
Lediglich das Ende ist gegebenenfalls zu kritisieren. So könnte dieses auf einige Leser*innen abrupt wirken. Zwar werden die maßgeblichen Fäden der Handlung zusammengeführt, jedoch erschienen die letzten beiden Kapitel ein wenig überstürzt. Möglicherweise wird ein Spin-off die Geschichte zu einem anderen Zeitpunkt erweitern, aber prinzipiell ist diese bereits mit dem vorliegenden Band abgeschlossen.
Die sexuellen Inhalte sind nicht nur zeichnerisch, sondern auch in den Dialogen äußerst anzüglich formuliert. Wenn expliziter Inhalt unbedingt gewünscht ist, dürfte die von Autorin Chihaya Kuroiwa entwickelte Erzählweise zusagen. Es wird zumindest kein sprichwörtliches Blatt vor den Mund genommen, wenngleich es sicherlich noch frivolere Geschichten im Universum der Boys-Love-Geschichten gibt.
Fazit
Zusammenfassend ist dem Manga somit eine gute Balance zwischen tatsächlichem Inhalt und durch den Verlag versprochene Freizügigkeit zu bescheinigen. Obgleich das Rad nicht neu erfunden wird, ist der neugierigen Leserschaft sowie den Fans solcher expliziten Inhalte durchaus ein Lesevergnügen dahingehend in Aussicht zu stellen. Hardcore-BL-Fans kommen bestimmt auf ihre Kosten.
Wenn du noch unsicher bist, ob der Titel für dich geeignet sein könnte, ist die offizielle Leseprobe von Egmont Manga unbedingt zu empfehlen. Diese bietet einen prägnanten Einblick in die Geschichte, enthält allerdings keine der freizügigen Szenen. Diese sind dem verschweißten Manga vorbehalten, der seit Anfang des aktuellen Monats im deutschsprachigen Handel zu finden ist.
Mit dem vorliegenden Einzelband einsamer Falke gibt die verantwortliche Mangaka Chihaya Kuroiwa hierzulande ein sicherlich gelungenes Debüt. Diverse weitere Geschichten der Künstlerin sind in Japan noch verfügbar und bislang nicht für den deutschsprachigen Raum lizenziert. Wir dürfen also gespannt bleiben, ob diese ebenfalls ihren sicherlich verdienten Weg zu uns und damit in das eigene Regal finden werden.
Abschließend bedanken wir uns bei der Redaktion von Egmont Manga für die zugesendete Rezensions-Kopie, die diesen Artikel ermöglicht.