Interview mit Hayabusa – erstes Halbjahr 2022, Bestseller und Special-Ausgaben
Passend zum Ende des ersten Halbjahrs durften wir ein ausführliches Interview mit Jonas Blaumann, dem Programmleiter des Hamburger Verlags Hayabusa, führen. Dabei waren unter anderem das momentane Programm, Special-Ausgaben, Webtoons und Midnight Spicy Sex Thema.
Nachfolgend werden wir Jonas Blaumann mit Jonas und uns selbst mit MP abkürzen.
MP: Hallo Jonas und danke, dass du dir wieder Zeit für uns nimmst.
Jonas: Aber selbstverständlich.
MP: Wie lief das erste Halbjahr von 2022 für euch? Was wollt ihr im zweiten Halbjahr eventuell anders oder (noch) besser machen?
Jonas: 2022 ist bisher der Hammer! Wir übertreffen alle unsere Ziele und freuen uns total über die große Anerkennung, die wir von unseren Leser*innen bekommen.
Anfang Juni waren wir auf unserer ersten Convention (DoKomi). Endlich hatten wir direkten Kontakt zur Community, das hat uns krass motiviert und auch bestätigt, dass wir bisher sehr viel richtig gemacht haben. Verbessern kann man immer was, aber im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden.
MP: Welche Titel liefen von euch am besten? Welche verdienen deiner Meinung nach etwas mehr Aufmerksamkeit – und warum?
Jonas: Neben den erfolgreichen Serien, die bereits letztes Jahr gestartet sind, kann ich vielleicht diese hier herausheben: The Beast Must Die, Play it Cool, Guys, Fangs, Fuck Buddy und The Male Bride.
Leider völlig unter Wert läuft Love and Fortune … Das ist eine wirklich dramatische und toll erzählte Geschichte, die aber leider bisher viel zu wenige Leser*innen erreicht.
MP: Ihr habt in der Vergangenheit bekanntgegeben, dass Midnight Spicy Sex aus „moralischen“ Gründen nicht bei euch veröffentlicht wird. Könntest du unseren Leser:innen diesen Einzelfall etwas genauer schildern und erklären, wo generell eure Grenzen liegen?
Jonas: In Midnight Spicy Sex geht es um eine Beziehung, in der ein Mann den anderen immer wieder zum Sex drängt, obwohl dieser das nicht möchte. Die Botschaft an die Leser*innen ist, dass der Mann zu seinem Glück gezwungen werden muss. Und das Ganze wird in keinster Weise als falsch oder schwierig thematisiert, sondern sogar positiv dargestellt. Die Verherrlichung oder Verharmlosung von (sexueller) Gewalt ist für uns ein No-Go.
Da es sich bei der Midnight Sex-Reihe um in sich abgeschlossene Einzelbände handelt, haben wir uns gegen diesen einen Band entschieden. Sowohl die Autorin als auch der Lizenzgeber haben vollstes Verständnis für unsere Entscheidung.
Auch bei einigen Titeln von Harada (Autorin von One Room Angel) werden unfreiwillige sexuelle Szenen nicht eingeordnet, also nicht klar als falsch bzw. schlimm dargestellt, deshalb müssen wir hier sehr vorsichtig sein.
Weil in dieser Diskussion in der Community oft Vergleiche herangeführt werden mit anderen Titeln (z. B. The Beast Must Die), möchte ich hier kurz klarstellen: Es geht nicht darum, dass Vergewaltigungen, Erniedrigungen u. ä. in Manga vorkommen. Leider gehören diese Dinge einfach zum Leben dazu und deshalb kommen sie auch in Manga vor. Aber sie müssen eben entsprechend eingeordnet sein – mit einer klaren Botschaft, dass solche Dinge schlimm und falsch sind.
Übrigens gab es sogar vereinzelte Äußerungen, dass wir eine Doppelmoral pflegen würden, weil wir ja auch Peter Grill and the Philosopher's Time veröffentlichen, in dem der Protagonist ständig seine Verlobte betrügt. Fremdgehen und Vergewaltigungen (die auch noch verharmlost werden) zu vergleichen ist schon recht schräg. Da sehen wir einen großen Unterschied.
Wir finden, wir haben insgesamt einen recht klaren moralischen Kompass bei unserer Titelauswahl.
MP: Mit der Lizenzierung von MPD Psycho habt ihr viele überrascht – der Titel ist ja in vielerlei Hinsicht besonders. Wir fragen uns: Wie kam es also dazu, dass ihr ein Angebot abgegeben habt? Was zeichnet das Werk für dich aus, wem würdest du es empfehlen?
Jonas: MPD Psycho haben wir uns schon 2005 in der Carlsen-Manga!-Redaktion zum ersten Mal mit großer Begeisterung angeschaut. Mein Kollege Germann und ich waren damals beide Redakteure dort. Damals kamen wir zu dem Schluss, dass die Story viel zu brutal ist. Außerdem haben wir auch nicht die Chance gesehen, ausreichend Leser*innen zu erreichen. Und abgeschlossen war sie ja auch noch nicht.
Wir fanden sie aber immer schon herausragend. Und da der Markt heute total anders aussieht und die Serie mittlerweile abgeschlossen ist, kamen wir wieder drauf und dachten uns: „Jetzt probieren wir es einfach!“ Und nach einigen Verhandlungen ist es uns dann gelungen, die Lizenz zu bekommen.
MPD Psycho ist eine zeitlose Story, die absolut großartig erzählt und gezeichnet ist. Sie fesselt einen vom ersten bis zum letzten Kapitel und muss einfach auf Deutsch erscheinen. Jede*r, die*der nicht zu zart besaitet ist und auf spannende Psycho-Thriller steht, muss hier zugreifen.
Übrigens gibt es weltweit keine lieferbaren Bücher mehr (nur noch eBooks), selbst in Japan. Wir mussten uns also die gesamte japanische Ausgabe gebraucht besorgen, um überhaupt Arbeitsexemplare zu haben.
MP: Verschiedene Verlage produzieren regelmäßig Sammelschuber zu ausgewählten Reihen. Habt ihr ebenfalls schon etwas in der Richtung in Planung?
Jonas: Wir haben Ideen, aber noch nichts Spruchreifes. Es ist auch aktuell etwas schwierig mit Sonderprojekten aufgrund der Material- und Druckereisituation.
MP: Gibt es bei euch vielleicht schon erste Pläne zu Limited oder Special Editions?
Jonas: Gibt es, aber dazu kann ich heute leider noch nichts sagen.
MP: Hyeon-sook Lee hat vor Kurzem neue Kapitel zu The Beast Must Die veröffentlicht. Zuvor habt ihr angegeben, dass die Reihe auf zehn Bände angelegt ist. Inwiefern werdet ihr den neuen Content bei eurer weiteren Planung berücksichtigen?
Jonas: Wir wollen natürlich alles auch auf Deutsch bringen. Dazu sind wir mit dem Lizenzgeber in Kontakt. Ich kann heute nichts versprechen, aber wenn, dann kommt das neue Material nach Band 10.
MP: Um noch einen Moment beim Thema Webtoon zu bleiben: Mit der genannten Boys-Love-Reihe ist dahingehend kürzlich euer erstes Projekt angelaufen. Wie zufrieden seid ihr mit dem Start?
Jonas: Erst einmal sind die Bücher wirklich toll geworden, zwei Bände sind ja jetzt erschienen. Die erste Auflage von Band 1 war bei uns bereits kurz nach dem Erscheinungstermin vergriffen, und wir waren sogar etwas mutiger mit der Auflagenplanung. Wir sind also sehr zufrieden. Ich persönlich glaube, dass die Serie noch erfolgreicher wird, je mehr Bände draußen sind. Wenn man einmal richtig in der Story drin ist, kann man nämlich nicht mehr aufhören. Und das wird sich rumsprechen.
MP: Uns ist aufgefallen, dass sich in euren Titeln viele Charaktere mit Vornamen anstelle des Nachnamens anreden – ändert ihr das hin und wieder bewusst? Und wenn ja, wie kommt es zu dieser Entscheidung?
Jonas: Ja, das ändern wir meist bewusst. Wir vertreten die Meinung, dass wir Manga für deutsche Leser*innen machen. Deshalb versuchen wir, alle Texte soweit wie möglich auch ins Deutsche zu transportieren. Dazu gehören in unseren Augen auch die Ansprachen bzw. Anreden der Charaktere untereinander.
MP: Mit Connect it Cool, Guys erscheint nächsten Februar die erste Light Novel bei Hayabusa. Welche Pläne habt ihr bezüglich dieses Mediums für die Zukunft? Ist da schon etwas spruchreif?
Jonas: Wir werden keine Light-Novel-Offensive machen, so viel ist klar. Aber wenn wir von einem Buch oder eine Reihe überzeugt sind bzw. wenn ein Buch wie in diesem Fall in eine Reihe gehört, dann denken wir zumindest immer drüber nach.
MP: Das vollfarbige Play it Cool, Guys und das melancholische One Room Angel zählen weniger zur gewohnten Boys-Love-Kost, sondern sind eher dem als Boys Life bezeichneten Segment zuzuordnen. Wie sieht Hayabusa die Chancen für dieses eher auf ein tiefes, freundschaftliches Band ausgerichtete Genre und mehr solcher Titel im Programm?
Jonas: Eigentlich machen wir nicht Programm nach Genres (außer vielleicht bei Boys Love), meistens suchen und finden wir Titel, die uns in irgendeiner Weise berühren, gefallen oder flashen und uns schlussendlich überzeugen.
Genre-Bezeichnungen kommen und gehen, von dem Begriff Boys Life höre ich heute zum ersten Mal. Die oben genannten Titel sind total unterschiedlich und auch die Leserschaften würde ich jetzt nicht in einen Topf werfen. Beide Geschichten haben was Besonderes, und darum geht es.
Dass Manga mit liebenswerten und/oder besonderen Jungs, in welcher Beziehung zueinander auch immer, gut angekommen, ist aber schon ein Trend, den wir sehen und auch bedienen.
MP: Hast du zum Abschluss noch ein paar Worte?
Jonas: Es macht riesig Spaß, in dieser Branche zu arbeiten und dazu beizutragen, dass es noch sehr viele Manga nach Deutschland schaffen. Und wir freuen uns total, dass wir wieder auf Conventions fahren und einige unserer Leser*innen endlich auch persönlich treffen können. Besucht uns also gerne an unseren Ständen auf der AnimagiC und der Connichi, wenn ihr vor Ort seid.
MP: Vielen Dank für deine Zeit.
Jonas: Da nicht für.