Ersteindruck: Horror im Hardcover – „Gyo“ Deluxe
Langsam erreichen die Werke von dem als Horror-Meister bezeichneten Japaner Ito Junji auch den deutschsprachigen Raum. Nach der Gesamtausgabe von Uzumaki veröffentlichte der Hamburger Herausgeber Carlsen Manga nun auch eine Deluxe-Ausgabe zu der Dilogie Gyo. Inwiefern die vielversprechend erscheinende Aufmachung dem Inhalt gerecht wird, legen wir unserer Leserschaft im Folgenden dar.
Der Zweiteiler im Hardcover umfasst rund 400 Seiten – zwei Doppelseiten sind mit schaurigen Motiven in Farbe enthalten. Das Papier ist nicht von höchster, aber überdurchschnittlicher Qualität. Der Geruch der Druckerschwärze ist auch Tage nach dem Auspacken aus der Folie noch immer deutlich wahrzunehmen. Preislich sind für das haptische wie nasal wahrnehmbare Vergnügen 24,00 Euro (D) angesetzt.
Gyo Deluxe in unserer Datenbank
Inhaltsbeschreibung
Tadashi und seine Freundin Kaori befinden sich gerade auf der südjapanischen Insel Okinawa zum Tauchurlaub, als plötzlich ein merkwürdiger Gestank von Fisch die Luft um das junge Paar zu erfüllen scheint. Zunächst ist dieser Geruch durch das Paar nicht auf einen spezifischen Ursprung zuzuordnen – sie beschließen daher, gut zu lüften und auszuharren, bis die stechende Note verflogen ist.
Doch auch danach kehrt keine Ordnung in die Unterkunft der beiden jungen Erwachsenen ein. Nach einem Streit hastet Kaori nach draußen, Tadashi folgt ihr kurz darauf. Gemeinsam beobachten sie einen seltsamen Schatten, der sich im Schutz der Dunkelheit zu bewegen scheint. Dahinter vermuten sie zunächst eine Schlange oder Katze – sicher sind sie sich allerdings nicht. Ohne die Umstände weiter aufzuklären zu können, kehren beide in das vom Onkel Tadashis bereitgestellte Logement zurück. Zurückkehrt auch der Gestank. Mittlerweile hat dieser sich allerdings intensiviert.
Die geruchsempfindliche Kaori ist dem Erbrechen nahe, erneut ein Gefühl des Ekels überfällt sie. Unterdessen bemerkt Tadashi, dass das zuvor beobachtete Wesen unterdessen wohl auch in das Innere des Hauses gefunden hat. In verschiedenen Ecke beginnt es plötzlich zu rascheln, aber noch immer ist es ihm unmöglich, das vermutete Tier dahinter zu lokalisieren und festzusetzen. Nach einer Jagd durch verschiedene Räume und Etagen gelingt es ihm schließlich doch, das agile Etwas vorläufig außer Gefecht zu setzen. Ein Blick auf dieses offenbart, dass es sich um einen Fisch recht kleiner Größe handelt. An dessen Unterseite ragen vier metallische Beine hervor. Tadashi spekuliert bereits, eine seltene Tierart entdeckt zu haben.
Schon bald muss er jedoch feststellen, dass ganz Okinawa von dieser Art von Fischen eingenommen wird. Das Paar sieht keinen Ausweg und kehrt schließlich nach Tokyo zurück. Dort wird bereits rege über die unvorhergesehene Plage in den Nachrichten berichtet. Jedoch scheint auch die Hauptstadt Japans nicht lange gegenüber den Meeresbewohnern standhalten zu können …
Die zuvor beschriebene Geschichte umfasst den Großteil des Bandes. Darüber hinaus sind zwei Oneshots des Autoren in der Veröffentlichung enthalten. In der vier Seiten umfassenden Episode Der Stützpfeiler hat eine Familie kürzlich ein neues Heim bezogen. Das Glück scheint perfekt – bis der Vater sich plötzlich unter dem Haus in einer unglücklichen Position wiederfindet …
Das letzte Kapitel dieser Zusammenstellung trägt den Titel Der Spuk in der Amigara-Spalte und handelt von einem vermeintlichen Naturphänomen: Durch ein Erschütterung der Erde wurden in einem Tal zahlreiche Felsspalten sichtbar. Diese entsprechen in ihren Umrissen menschlicher Form. Die Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel. Nach einem Fernsehbericht über diese Kuriosität machen sich immer mehr Individuen zu der mysteriösen Steinlandschaft auf. Denn sie sind fest davon überzeugt, dass es sich dabei um ihre eigenen Konturen in den Felsen handelt. Zudem scheint eine besondere Ausstrahlung von diesen auszugehen, wie sich schon kurz nach der Ankunft jener Interessierten zeigen wird …
Visualisierung
Die in dunkelgrau und schwarz gehaltenen Zeichnungen sind maßgeblich dafür verantwortlich, eine bedrückende wie finstere Atmosphäre innerhalb der Geschichte für das erwartungsvolle Publikum zu installieren. Die großflächige Bebilderung, die in ihrer Darstellung einzelner Wesen entschieden von bekannten Normen abweicht, soll zum Erschaudern einladen. Der Gruselfaktor von Gyo – Der Tod aus dem Meer ist tendenziell gering.
Die Altersempfehlung von 16 Jahren durch den deutschsprachigen Verlag deutet bereits daraufhin, dass die einzelnen Seiten nur sehr bedingt Furcht bei Genre-Erfahrenen auszulösen vermögen. Stattdessen überzeugt die angebotene Dynamik, die die verschiedenen Kapitel der Erzählung durchzieht. Optisch ist diese durch zahlreiche Bewegungslinien sowie die Anordnung der einzelnen Panels realisiert.
Mittels der kostenlosen Leseprobe kann das komplette erste Kapitel in deutscher Sprache kostenlos gelesen werden. Da das Buch im regulären Handel eingeschweißt ist, erscheint es ratsam, bei Unsicherheiten zunächst digital in die Publikation hineinzublicken.
Erzählweise
Obwohl der Handlung ein Rahmen von neunzehn Kapiteln geboten ist, verläuft die Geschichte beinah durchweg monoton. Nachdem eine neue Art der befremdlichen Wesen gezeigt wurde, wird schon bald ein neues, potenziell noch gefährlicheres, Etwas durch den Protagonisten entdeckt. Stetig die anzunehmende Gefahr zu steigern ist ein Element, das beispielsweise aus Katastrophenfilmen bekannt ist und das Publikum unter stetiger Anspannung halten soll. Erfolglos – schnell ist dieses Erzählmuster durchschaut.
Dies wird gepaart mit zwei stereotypischen Protagonisten, für die kaum Sympathie oder Empathie entsteht, sowie weiteren Komponenten, die ebenfalls aus solch trivialen Medien bekannt sind. Ein verschrobener Wissenschaftler und geheime Experimente des Militärs sind hierbei exemplarisch zu benennen. Darüber hinaus enttäuscht das relativ offen gefasste Ende.
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Als einziges Highlight dieser Deluxe-Ausgabe verbleibt der abschließende Oneshot Der Spuk in der Amigara-Spalte. Dieser überzeugt glücklicherweise – trotz der Kürze – durch die erklärte Idee und deren Umsetzung. Dieser wurde in dem oben verlinkten Video des englischsprachigen Publishers Viz Media von dem Autor, Herrn Ito Junji, auszugsweise vorgestellt.
Zusammenfassung
Die dem Horror- und Science-Fiction-Genre zuzuordnende Geschichte konnte uns, wie zuvor dargelegt, leider nicht überzeugen. Während die Visualisierung den düsteren Flair sicherlich gut wiedergibt, scheitert es bei Gyo – Der Tod aus dem Meer fatalerweise an der Erzählweise. Möglicherweise erfreuen sich Einsteiger an dem Doppelband; das erwartungsvolle Publikum sollte dagegen tendenziell eher niedrige Erwartungen gegenüber dem Titel ansetzen, um einer herben Enttäuschung bereits vorab effektiv zu begegnen.
Durch die deutschsprachige Leseprobe hier einen eigenen Eindruck von dem Manga gewinnen
Die Bezeichnung Deluxe ist dagegen im Wesentlichen zutreffend. Das Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen den angesetzten 24,00 Euro (D) und dem gebotenen Hardcover-Buch mit einem Umfang von 400 Seiten erscheint aus produktionstechnischer Sicht angemessen.
Nachbesserungsbedarf besteht allerdings bei der Schriftsetzung einiger Seiten – dies räumte der verantwortliche Programmleiter, Kai-Steffen Schwarz, von Carlsen Manga bereits im Comicforum an dieser Stelle ein. Die pentetrante Note der Druckerschwärze sticht weiterhin negativ hervor. Möglicherweise ist dies allerdings ein Mangel, der über die Zeit hinweg abnimmt. Dies verbleibt abzuwarten und ist und ist von der eigenen Sensibilität gegenüber Gerüchten abhängig.
Diese Besprechung wurde durch die Redaktion von Carlsen Manga mit einem Rezensionsexemplar unterstützt. Wir bedanken uns herzlich für die Möglichkeit, diese Veröffentlichung Itos ohne jegliche Einschränkungen für unsere Leserschaft besprechen zu können.