Besser als die Zigarette danach: „Candy & Cigarettes“ – unser Ersteindruck
Mit Candy & Cigarettes von Tomonori Inoue erschien Mitte des Monats eine generationsübergreifende Gangster-Komödie bei altraverse auf Deutsch. Wir hatten Gelegenheit, den Auftakt der bislang acht Bände umfassenden Reihe zu lesen. Unsere ersten Eindrücke zu dem Titel schildern wir im Folgenden.
Der erste Band der deutschsprachigen Veröffentlichung ist seit diesem Januar als großformatige Klappenbroschur zu einem Preis von 10 Euro (D) im Softcover erhältlich – eine abnehmbare Rauchen ist tödlich-Banderole umgibt die Unterseite des Covers humorvoll. Die gesamte Außenseite des Buches, inklusive der beiden Klappen, ist darüber hinaus mit reflektierendem Spotlack veredelt.
Inhaltsbeschreibung
Protagonist Raizo Hiraga lebt in einer kleinen Wohnung und ist seit Kurzem in Rente und Empfänger einer staatlichen Pension. Während seiner über vierzig Jahre langen Beschäftigung als Personenschützer im Polizeidienst blickte er bisher wohl eher gelassen seinem letzten Lebensabschnitt entgegen, freute sich auf seine verbleibenden ruhigen Jahre im höheren Alter.
Bevor der angejahrte Herr jedoch die wenigen Vorzüge seiner bescheidenen Existenz genießen kann, trifft ein Schicksalsschlag seine kleine Familie. Der Sohn seiner Tochter, sein Enkel, wird mit einer seltenen Schlafkrankheit diagnostiziert, die nicht nur psychisch, sondern auch finanziell eine unüberwindbar erscheinende Hürde darzustellen scheint.
Als liebevoller Großvater ist Raizo bemüht, alles für seine beiden liebsten Menschen zu tun, um dem Jungen die benötigte Behandlung zu ermöglichen. Sowohl die Arbeit in einem nahegelegenen Supermarkt als auch der Verkauf seiner alten und durch den stetigen Tabakkonsum geschädigten Organe stellen keine lukrativen Einnahmequellen dar, um die hohen Arztrechnungen zu begleichen.
Per Zufall sticht dem Senioren eine Stellenanzeige ins Auge, die exakt auf seine Fertigkeiten zugeschnitten zu sein scheint: Unter anderem wird Erfahrung im Kampfsport sowie der erprobte Umgang mit Waffen gefordert. Perfekt – in seinem Beruf arbeitete Raizo regelmäßig mit beidem. Schon bald wird er bei der angegeben Adresse, die sich als ein mysteriöses Antiquariat herausstellt, vorstellig.
Aufgrund seiner hervorragenden Qualifikation lässt ihn die dortige Dame, die sich als die Leiterin der Selbstverwaltungskörperschaft Doppel-S-Agency namens Kinume vorstellt, zu einer praktischen Prüfung zu. Sollte er diese bestehen, wird ihm die Arbeitsstelle versprochen – außerdem ein Lohn von monatlich einer Million japanischer Yen. Dieses Gehalt würde die anfallenden Behandlungskosten decken.
Jener Testdurchlauf findet in einem noblen Hotel statt und erscheint zunächst wie eine gut bezahlte Reinigungstätigkeit in diesem. Das zu bereinigende Zimmer ist jedoch ein Sonderfall: Auf dem Bett liegt eine mit Kopfschuss getötete Leiche. Aus dem Bad tritt ein elfjähriges Mädchen heraus, in ihrer Hand: eine Pistole der Art Detonics .45 mit Schalldämpfer. Was hat sich zugetragen?
Zeichenstil
Die inhaltlichen Geschehnisse sind durch saubere Illustrationen des eingangs benannten Zeichners visualisiert. Diese erscheinen dabei allerdings nicht steif, sondern wirken – aufgrund der stetig wechselnden Mimik der einzelnen Figuren – bis zu einem gewissen Grad lebendig. Zu diesem Gefühl trägt außerdem die kräftige Kontrastierung bei, beispielsweise die der erklärten Handfeuerwaffe des Mädchens. Die Druckqualität ist dahingehend überwiegend als gut zu beurteilen.
Außerdem gefällt, dass der Hintergrund häufig nicht ohne jegliche Füllung belassen wurde. Eine besondere Zuwendung zu diesem ist jedoch ohne jegliche Notwendigkeit, da die Reihe stellenweise sehr auf dynamischen Abläufen aufgebaut ist und entsprechende Passagen für das Auge schnell zu erfassen sein müssen. Dies ist hier gegeben. Soundwords verschiedener Art, Form und Größe bereichern die Optik darüber hinaus gelungen.
Der Hamburger Herausgeber bietet hier zudem eine kostenlose Leseprobe an. Die 52-seitige Preview umfasst das gesamte erste Kapitel der ab 16 Jahren empfohlenen Action-Geschichte. Die Altersempfehlung ist auf das relativ moderate Maß an Gewalt zurückzuführen. Zwar wird mehrfach Mord abgebildet, doch ist die Durchführung nicht von besonderer Grausamkeit geprägt.
Storytelling
Die Leserschaft verfolgt die ersten vier Kapitel der Geschichte aus der Perspektive des noch immer erstaunlich agilen Greises Raizo. Der so gewonnene Einblick in dessen Gedankenwelt, die sowohl die Gegenwart als auch Vergangenheit einschließt, erregt sicherlich eine gewisse Sympathie für den angejahrten Protagonisten.
Ansonsten ist gegenwärtig recht wenig über das Setting bekannt – somit stellt sich der mysteriöse Charakter der Erzählung ein, der bei der deutschsprachigen Fassung auch die Genre-Zuteilung bestimmt zu haben scheint. Obwohl die Vergangenheit jenes elfjährigen Mädchens thematisiert wird, verbleiben im weiteren Verlauf Fragen. Es ist zu erwarten, dass an diese in den fortsetzenden Bänden angeknüpft wird.
Gelegentlich werden die ernsten Elemente durch humoristische Einlagen sowie den Alltag beider Hauptfiguren für begrenzte Zeit atmosphärisch aufgelockert. Insgesamt überwiegen die bedrückenderen Crime-Noir-Elemente aber deutlich.
Fazit
Sicherlich ein gelungener Auftakt der tendenziell episodischeren Erzählung. Neben der Leserschaft von Werken wie Renji Asais und Shin Sawadas Violence Action dürfen sich all jene mit einer Empfehlung angesprochen fühlen, die eine Action-Geschichte suchen, die nicht unbedingt durch den höchsten Anteil an Gewalt und Brutalität zu glänzen versucht, sondern durch eine gelungene Mischung aus Mystery und Witz zu entzücken weiß. Insbesondere zum Senior Raizo ist schnell Sympathie aufzubauen.
Gleichzeitig ist die Optik sicherlich ein weiteres Kriterium, dass bei der Kaufentscheidung möglicherweise zu beachten ist. Unsererseits ist diese ohne nennenswerte Mängel. Die hier erneut verlinkte Leseprobe erlaubt, kostenfrei in das Werk hineinzulesen. Somit kann ein individueller Eindruck von der Visualisierung der erklärten Geschichte gewonnen werden.
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Programmleiter Dr. Joachim Kaps von altraverse über Candy & Cigarettes im vergangenen #altralive
Wir bedanken uns bei altraverse für die unverbindliche Bereitstellung eines kostenfreien Belegexemplars, das diesen umfassenden Ersteindruck für unsere Leserschaft ermöglicht. Wann es mit Candy & Cigarettes in Deutschland weitergeht, kann unserer Datenbank an dieser Stelle entnommen werden. Sobald weitere Termine bekannt sind, werden diese zeitnah dort eingetragen. Bereits jetzt können die weiteren japanischen Originalcover der Reihe eingesehen werden.