Nicht alles, was lange währt, wird endlich gut: „I Hear The Sunspot – Die Theorie des Glücks“ | Review
Ursprünglich hätte dieser Manga bereits am 29. Januar 2019 erscheinen sollen – nun wurde es Februar 2021. Ob sich die Wartezeit auf die Fortsetzung von Yuki Fuminos zartem Boys-Love-Manga I Hear The Sunspot gelohnt hat, haben wir im Rahmen der nachfolgenden Review für euch ermittelt.
Im Gegensatz zum ersten Teil der Geschichte weist Die Theorie des Glücks einen deutlich erhöhten Umfang aus – die Gesamtseitenzahl überschreitet die 300 knapp und beinhaltet darüber hinaus eine doppelseitig bedruckte Hochglanz-Farbseite. Preislich liegt das Buch bei 9,99 Euro (D) und ist damit zwei Euro teurer als der zweite Band von Koimonogatari, der in Umfang und Aufmachung durchaus vergleichbar ist.
Gegebenenfalls könnte daher auch ein digitaler Release interessant sein – dieser wurde bislang allerdings nicht angekündigt. Da jedoch bereits das Prequel als eComic verfügbar ist, liegt nahe, dass der Hamburger Herausgeber Carlsen Manga dahingehend in den kommenden Wochen nachlegt.
Inhaltsbeschreibung
Zuletzt freundeten sich die Kommilitonen Kohei und Taichi an. Da ersterer schwerhörig ist, suchte er zuletzt jemanden, der für ihn Mitschriften seiner Vorlesungen anfertigt, sodass es ihm möglich ist, den vermittelten Unterrichtsstoff effektiv nachbereiten zu können. Über einige Umstände ergab es sich schließlich, dass der aufgedrehte Taichi, dessen Stimme für Kohei besonders durchdringlich und somit gut zu verstehen ist, diese Aufgabe für den attraktiven jungen Mann übernahm.
Im Gegenzug brachte Kohei ihm täglich ein Bento, eine Lunchbox, als eine Art Gegenleistung mit. Taichi ist stets auf mehrere Nebenjobs gleichzeitig angewiesen und daher froh um die tägliche Mahlzeit. Unabhängig des versprochenen Mittagessens, versucht Taichi der ihm übertragenen Aufgabe pflichtbewusst nachzukommen und lernt seinen Gegenüber damit immer besser kennen – und dieser ihn.
Trotz kleiner Startschwierigkeiten stellt sich schon bald eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten ein, deren Grenzen zuletzt, wenn auch nur für wenige Sekunden, durch Kohei überschritten wurden. Nach zahlreichen Missverständnissen schien es zum Ende des ersten Bandes zunächst so, als wären diese nun geklärt. Allerdings ist etwas in den Ferien passiert, das sowohl Kohei als auch Taichi noch weiterhin beschäftigt …
In diesem Zusammenhang werden die wechselseitigen Gefühle der zwei Studenten näher fokussiert. Außerdem tritt mit Maya eine gehörlose Kommilitonin auf, die besonderes Interesse an ihrem Leidensgenossen zu haben scheint. Inwiefern sich ihr Auftreten auf Taichi und Kohei sowie deren Beziehung auswirkt, ist ebenfalls Thema dieses Sequels.
Visualisierung
Die beschriebene Geschichte entzückt hinsichtlich der gebotenen Bebilderung. Den vergleichsweise weichen, aber mitunter detaillierten Zeichnungen liegt ein besonderer Liebreiz inne, der gut die Atmosphäre des Titels veranschaulicht. Wohl genutzte Kontraste bereichern das Gesamtbild darüber hinaus positiv.
Insbesondere die feine Linienführung besticht. Durch diese findet auch die Mimik der Figuren besondere Zuwendung – die jeweiligen Emotionen spiegeln sich adäquat in den Gesichtern wieder. Im Rahmen der essenziellen Zeichensprache legt Mangaka Yuki Fumino auch auf die Gestik ihrer Charaktere wert.
Die japanischen Soundwords des Original-Version wurden gänzlich entfernt und durch deutsche Übersetzungen ersetzt – nicht immer erscheinen diese passend, oftmals stechen diese – sowohl durch den gewählten Wortwahl als auch in der Form – negativ hervor.
Eine Leseprobe bietet Carlsen Manga gegenwärtig nicht an. Da der Band keinerlei Erotik beinhaltet, ist dieser allerdings nicht verschweißt, sodass gegebenenfalls auch vor Ort in das Buch hineingeschaut werden kann, sofern dies die aktuellen Pandemie-Einschränkungen erlauben.
Storytelling
Die Theorie des Glücks beginnt zunächst mit einem kleinen Zeitsprung nach dem Ende der vorherigen Ereignisse aus I Hear The Sunspot. Da jedoch wiederholt auf einzelne Geschehnisse jenes ersten Bands Bezug genommen wird, ist seitens der Leserschaft schnell in die Geschichte gefunden, deren Fortsetzung ursprünglich nicht geplant war. Im Wesentlichen ist die Erzählperspektive auf Taichi ausgerichtet, Koheis Gedanken- und Gefühlswelt verbleibt somit, gemäß seiner Persönlichkeit, bis zu einem gewissen Grad unnahbar.
Mit Maya und ihrem Onkel treten außerdem zwei neue Figuren in das Ensemble ein. Um diese beiden herum werden einige neue Handlungsstränge herum entworfen, sodass diese gut in den Verlauf einbezogen werden und nicht entbehrlich erscheinen. Auch Mayas Schulzeit wird thematisiert und ihr Charakter somit auf inhaltlicher Ebene vertieft.
Fazit
Die sanfte Boys-Love-Erzählung wird gelungen durch Yuki Fumino fortgeführt. Mit neuen Charakteren erweitert sie das Figuren-Ensemble in I Hear The Sunspot – Die Theorie des Glücks geschickt. Es handelt sich glücklicherweise nicht um den verzweifelten Versuch, lediglich eine Fortsetzung aufgrund des kommerziellen Erfolgs zu schaffen, sondern knüpft glaubhaft an die vorangegangenen Ereignisse an.
Das offene Ende weckt zudem die Vorfreude auf die anschließende Trilogie, die voraussichtlich ab dem 02. März unter dem Titel Limit auf Deutsch erscheint. Die liebliche Visualisierung der Erzählung sowie die graduelle Entwicklung derselbigen behagen darüber hinaus.
Weniger gelungen ist dagegen die deutschsprachige Übersetzung. Diese behindert – trotz vereinzelt guter Passagen – den Lesefluss leider wiederholt. Es finden Worte Verwendung, die noch nicht einmal im Wörterbuch nachzuschlagen sind (beispielsweise: „mölpen“) und sich auch nicht unmittelbar aus dem Kontext ergeben. Überdenkenswerte Redewendungen, die beispielsweise Tim und Struppi entnommen wurden („Hagel und Granaten“), Tippfehler und zahlreiche andere Unsauberkeiten in der Translation führen dazu, dass der langerwartete zweite Teil der Geschichte den Erwartungen im Allgemeinen nicht gerecht wird.
„Was lange währt, wird endlich gut“ ist in diesem Fall folglich nicht zutreffend. Nach zwei Jahren der Wartezeit, wenngleich deren genauen Gründe uns nicht bekannt sind, wäre aus Sicht der Leserschaft ein einwandfreies Produkt zu erwarten – dies ist hier definitiv nicht gegeben. Insbesondere da das Preis-Leistung-Verhältnis, auch im Vergleich mit ähnlichen Manga wie dem zweiten Band von Koimonogatari, ungerecht erscheint, ist ein gewisses Gefühl der Enttäuschung zu notieren.
Wir bedanken uns abschließend bei Carlsen Manga für die unverbindliche Zusendung eines Belegexemplars, das diese Besprechung für unsere Leserschaft ermöglicht.