Exklusivinterview: Autor von „Klingen der Wächter“, Xu Xianzhe
Heute dürfen wir euch das erste Manhua-Interview präsentieren und das mit niemand geringerem als Xu Xianzhe, dem Autor von Klingen der Wächter. Chinabooks hat uns freundlicherweise ein äußerst umfangreiches Interview bereitgestellt. Nachdem dieses im Original von Journalist Xia Yining in der Pengpai (The Paper) News veröffentlicht wurde, dürfen wir euch heute eine deutsche Übersetzung präsentieren.
Wenn man nur seine anfängliche Aspiration beibehalten kann, dann kann man schließlich ein Wunder erschaffen
- Comic-Autor (Manhuajia) Xu Xianzhe
Im Oktober des Jahres 2016 hat ein Manga-Redakteur auf Weibo ein Posting mit dem Titel „Ein Japaner möchte den Manhua voranbringen“ veröffentlicht. Dabei handelte es sich um Kazuji Kurihara, einen altgedienten Manga-Redakteur und Lektor, der auf eine langjährige Erfahrung zurückblickt. Nachdem er die Universität abgeschlossen hatte, trat er beim japanischen Mangaverlag Futabasha, der so bekannte wie Manga-Werke Crayon Shin-chan oder Lupin III hervorgebracht hat, seine erste Stelle an. Er fungierte dort vormals als Chefredakteur für Monats- und Wochenzeitschriften.
Nachdem er nach einer 40-jährigen Tätigkeit in der Branche ehrenvoll in den Ruhestand entlassen worden war, kam er durch eine glückliche Schicksalsfügung nach China, um dort seine Karriere im Comic-Bereich fortzusetzen, sich dort ganz der Entwicklung chinesischer Manhua zu verschreiben und Chefredakteur von Xin Manhua zu werden.
Und bei dem Werk, das Herrn Kurihara zu der Entscheidung bewegt hatte, nach China zu gehen und dem Team von Xin Manhua beizutreten – ein Entschluss, der innerhalb von Sekunden fiel, nachdem er den Entwurf dazu gesehen habe – handelt es sich genau um Die Klingen der Wächter von Xu Xianzhe.
Das Schriftzeichen „Biao“ aus dem chinesischen Originaltitel Biaoren hat einen angeheuerten Söldner zu Bedeutung, dessen Zweck es ist, zu beschützen, der es sich aber mitunter auch zum Ziel gesetzt haben kann, sich im Rahmen der von den kaiserlichen Behörden ausgeschriebenen Fahndungen nach flüchtigen Straftätern als Kopfgeldjäger zu betätigen, um das ausgesetzte Kopfgeld einzukassieren.
Die Geschichte von Die Klingen der Wächter entfaltet sich gegen Ende der Sui-Dynastie am Vorabend von Volksaufständen und Unruhen.
Der über außergewöhnliche kämpferische Fertigkeiten verfügende Geleitschützer und Kopfgeldjäger Daoma wandelt mit seinem kleinen Sohn Xiaoqi an seiner Seite in dieser chaotischen, unsteten Welt inmitten unruhiger, wirrer Zeiten umher. Die Begebenheiten, auf die sie treffen, sind gleichermaßen bizarr wie sehr real und es wird dabei ein Panorama der vielen Facetten der menschlichen Natur vor dem Hintergrund großer epochaler Umbrüche ausgebreitet. Von nun an zieht eine Welle von brutaler Gewalt über das Land und es entfalten sich allmählich durch Hass geschürte Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichsten Gruppierungen.
Wie man es auch immer betrachtet – von der knallharten im Wuxia-Genre angesiedelten Geschichte oder vom rohen und kraftvollen Zeichenstil her – Die Klingen der Wächter sticht unter den Manhuas der letzten Jahre in China als eine ganz einzigartige Erscheinung hervor. Der Autor Xu Xianzhe wurde von früher Kindheit an von Hongkong-Filmen, dem italienischen Western und japanischen Saumraifilmen beeinflusst. Zudem ist er tief fasziniert von der ritterlichen Gesinnung in den Biographien der Attentäter. (Anm.: Ein Kapitel aus den Chroniken des Historikers von Sima Qian). Er hat mit den historischen Fundamenten als inneren Kern seine Vorlieben wie bei einem Potpourri zu einer filmischen Wuxia-Geschichte verschmolzen, welche den Ausgangspunkt für Die Klingen der Wächter bildet.
Erstaunlicherweise hat Xu Xianzhe nie eine formelle künstlerische Ausbildung absolviert. Er war vormals in der Werbebranche tätig und betätigte sich gleichzeitig als literarischer Übersetzer, woraus sich auf den ersten Blick keine großen Berührungspunkte mit dem Beruf eines Comic-Künstlers zeigen. Mit 26 Jahren war er schon sehr spät daran, nochmals den Beruf zu wechseln, um Comics zu zeichnen, aber er ging auch noch das Wagnis ein, weitere vier Jahre in die Vorbereitungen zu investieren. Er las und studierte dabei Geschichtswerke wie die Geschichte der Sui-Dynastie (Suishu) oder den Umfassenden Zeitspiegel zur Hilfe bei der Regierung (Zizhi tongjian), recherchierte zu historischen Waffen und der damaligen Architektur, gleichzeitig analysierte er die Stärken von Meisterwerken (des japanischen Mangas) wie Vagabond, Blade of the Immortal oder Beyond the Heavens.
Einmal verbrachte er einen ganzen Monat damit, eine Hintergrundlandschaft zu zeichnen. Als er zur Überzeugung gelangt war, dass es so weit war, Die Klingen der Wächter der Öffentlichkeit präsentieren zu können, war er bereits 30 Jahre alt.
Die Klingen der Wächter liefert schon auf den ersten Seiten des Anfangskapitels dicht geballte Hintergrundinformationen (zur Geschichte).
Die Figur des Daoma mit seinen herausragenden kämpferischen Fertigkeiten, seinem freien, ungezwungenen Charakter, dem es gleichzeitig nicht an Vielschichtigkeit mangelt, kommt äusserst lebendig zum Ausdruck, sie scheint fast vor Energie strotzend aus dem Papier hervorzuspringen. Man hat überhaupt nicht das Gefühl, ein unausgereiftes Erstlingswerk vor sich zu haben. Die nachfolgende Handlung entwickelt sich in einem rasanten Rhythmus auf hocheffiziente Weise weiter, der Plot ist dicht gedrängt und zieht sich nie in die Länge. Vom Erzählerischen her wandelt sich die Geschichte zu einem Drama um ein Ensemble vieler verschiedener Figuren, das aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt wird.
Eine Vielzahl an die Aufmerksamkeit (der Leser) aus sich ziehenden Nebenfiguren wie etwa der Attentäter Shu, die Stammesführertochter Ayuya oder die „Schwalbendame“ Yanziniang werden in die Kriegshandlungen in dieser Zeit der Wirren inmitten einer sich im Umbruch befindenden Welt hineingezogen. Figuren wie Zhishilang, Qin Qiong oder Yu Chigong basieren auf realen Persönlichkeiten, deren Spuren in der Geschichte nachweisbar sind.
Die Saga weist sowohl Aspekte der Schnelligkeit als auch der Langsamkeit auf:
Schnelligkeit: Es ist nicht einfach, bei einem wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus eine hohe Qualität beizubehalten.
Langsamkeit: An dem Akt „Die weite Wüste“, dessen Geschichte sich in einer einzigen Nacht abspielt, hat Xu Xianzhe ein ganzes Jahr lang gezeichnet.
Nach der Auffassung von Xu Xianzhe war nicht er es, der (die Geschichte) erschaffen habe, sondern er habe einfach nur Figuren entdeckt, die irgendwo in einer anderen Welt wirklich existierten, und diese für die Leser zur Darstellung gebracht. Wie anstrengend und zermürbend die wöchentliche Veröffentlichungspraxis auch ist, so ist er doch niemals bereit, bei den Inhalten Kompromisse einzugehen. „Viel mehr als die bloße Anzahl an Seitenaufrufen oder Klickraten, sind es die von lebendigen Lesern schriftlich übermittelten Stimmungsbilder und Rückmeldungen, die einem als Schöpfer die Kraft geben, weiterzumachen.“, meint Xu Xianzhe.
Durch eine rigorose Einstellung und eine durchschlagende Qualität hat die Reihe Die Klingen der Wächter es geschafft, auf ausländischen Märkten Fuß zu fassen und dabei den Aufstieg des chinesischen Manhua zu verkörpern.
Nicht nur wird die Reihe auf der bekannten japanischen E-Reader-Plattform sp.comics.mecha.cc serialisiert, sie wurde auch von den Großmeistern unter den japanischen Mangaka Rumiko Takahashi (repräsentatives Werk: Inu Yasha) und Tōru Fujisawa (repräsentatives Werk: GTO Great Teacher Onizuka) empfohlen.
Zudem wurde drei Mal in einer Nachrichtensendung im (staatlichen) japanischen Fernsehsender NHK über die Reihe berichtet und sie wurde dort als „ein Glanzstück eines chinesischen Manhua auf Weltniveau“ gepriesen. Wie man hört ist die Entwicklung von Die Klingen der Wächter zu einer Marke und damit verbundene weitere Medienadaptionen bereits voll im Gange. Das Team von Monkey King - A Hero is Back wird für die Produktion der Anime Adaption verantwortlich zeichnen, die Produzenten von Day and Night werden die Adaption zur Realverfilmung übernehmen. Xu Xianzhe wird ebenfalls in seiner Rolle als Schöpfer der Originalvorlage an den Adaptionen beteiligt sein und diese beaufsichtigen.
Im April des Jahres 2018 wurde der erste Band der Printausgabe der chinesischen Originalausgabe von Die Klingen der Wächter veröffentlicht. Innerhalb weniger als eines Monats wurden davon 100.000 Exemplare verkauft, was für die im Printbereich mit Umsatzrückgängen kämpfende, schwächelnde Verlagsbranche einen großen Erfolg darstellt. Und dies erst recht, obwohl Die Klingen der Wächter seit den drei Jahren der Serialisierung bereits auf allen chinesischsprachigen Leseportalen im Internet kostenlos zu lesen war.
Xu Xianzhe hat zu diesem Zeitpunkt abermals eine sehr interessante Aktion gestartet: Er hat unter dem Titel „Woran hältst du in diesen Zeiten fest?“ eine Diskussion lanciert und er hat die erste Zahlung an Lizenzgebühren, die er von seinem Verlag erhalten hat, dazu verwendet, um Menschen zu unterstützen, die beharrlich versuchen, ihre Träume zu verwirklichen. Manche haben Zweifel geäußert, ob es sich dabei nicht nur um eine mit den Emotionen spielende Marketings Maßnahme handele. Aber wenn man die Entstehungsgeschichte hinter Die Klingen der Wächter kennt, dann erkennt man, was es bedeutet, wenn jemand bereit ist, sich mit all seiner Energie ganz einer Sache zu verschreiben, ohne jedoch darauf hoffen zu können, jemals einen Nutzen darauf ziehen zu können, dass dann aber, wenn ein Schöpfer seine ursprüngliche Aspiration beibehält, Wunder daraus erwachsen können.
Xu Xianzhe im Gespräch
Pengpai (The Paper) News: Erst einmal möchten wir Ihnen ganz herzlich dazu gratulieren, dass der erste Einzelband von Die Klingen der Wächter nun endlich veröffentlicht worden ist.
Sie haben vor kurzem noch an zwei Signierstunden teilgenommen. Was waren Ihre Eindrücke?
Xu Xianzhe: Vielen Dank. Diesmal bei den beiden Signieraktionen in Hangzhou und Xiamen hat mich besonders berührt, dass sehr viele begeistertste Leser für die Signierstunden schon sehr früh begonnen haben, anzustehen.
Manche Leser haben (für mich) ein Geschenk mitgebracht, andere Leser haben mir ihre Eindrücke und Gedanken in Form von Briefen zukommen lassen, wieder andere haben mich darum gebeten, auf ihren Kleidern eine Signatur zu hinterlassen. Ich hätte mir auch niemals gedacht, dass die Die Klingen der Wächter so viele weibliche Fans finden würde …
Bei mir hat es einen tiefen Eindruck hinterlassen, dass viele Leser mich darum gebeten haben, den Slogan „Mut und Glaube“ niederzuschreiben (Anm.: Slogan der Reihe). Ich denke mir dabei, dass es für mich als Schöpfer ein großes Glück bedeutet, wenn es dem Werk gelingt, für die Menschen eine Kraft zu werden, aus der sie schöpfen können.
Leider reichte die Zeit einfach nicht aus, um sich um jeden Leser annehmen zu können. Ich hoffe, dass wir das nächstes Mal besser hinbekommen werden.
Pengpai (The Paper) News: Sie haben vorher keinerlei künstlerische Ausbildung absolviert und Sie haben als Comickünstler auch erst recht spät Ihr Erstlingswerk vorgelegt.
Welcher entscheidende Wendepunkt hat sie auf diesen Weg geführt?
Zur damaligen Zeit war das (heimische) Umfeld für Comickünstler in China noch nicht so gut.
Sind Sie auf Widerstände gestoßen, als Sie sich dazu entschlossen haben, den Beruf eines Comickünstlers zu ergreifen?
Xu Xianzhe: Ich liebe Comics, und ich liebe sie wirklich.
Als ich klein war, habe ich wie viele andere auch gerne Zeichnungen in meine Schulbücher hineingekritzelt. Anschließend habe ich allmählich damit begonnen, mit Bildern Geschichten zu erzählen, also, ich habe einige kleine humoristische Geschichten mit meinen Klassenkameraden in den Hauptrollen gezeichnet. Diese wurden innerhalb der Klasse von allen zum Lesen herumgereicht. Aber damals wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass sich bei einer Tätigkeit als Comickünstler realistische Berufsmöglichkeiten ergeben könnten.
Als ich das Alter von 26 Jahren erreichte, trat ich wie die meisten jungen Menschen in diesem Alter in eine Phase der Orientierungslosigkeit ein. Mir war nicht klar, wohin mich meine Zukunft führen würde. Wie es der Zufall wollte, erfuhr ich zu dieser Zeit von einem Ausspruch von Steve Jobs: „Folge deinem Herzen“. Dieser Ausspruch hat mich sehr bewegt. Also habe ich begonnen, mir die Frage zu stellen: „Was willst du eigentlich wirklich machen?“ Zu diesem Zeitpunkt sprach eine innere Stimme zu mir: Ich möchte Comics zeichnen.
Erst nachdem ich mich wirklich dazu entschlossen hatte, realisierte ich, dass Fragestellungen wie der Zustand des Branchenumfelds und das Vorhandensein von Marktperspektiven eigentlich keine Hindernisse darstellen. Man muss sich als Autor und Schöpfer nur auf die Frage konzentrieren, wie man das eigene Werk so gut wie möglich zustande bringt.
Während der Vorbereitungsphase war es mir wichtig, einen Manhua auf einem Niveau zu erschaffen, mit dem ich selbst zufrieden bin, weil ich selbst ja auch ein Leser bin.
Daher haben die Vorbereitungen vier Jahre lang gedauert. Als ich dann glaubte, so weit zu sein, mein Werk der Öffentlichkeit präsentieren zu können, war ich bereits 30 Jahre alt.
Deswegen kann man sagen, dass das größte Hindernis, auf das ich gestoßen bin, es war, ein Werk erschaffen zu können, mit dem ich selbst zufrieden sein konnte, während meine Fähigkeiten jedoch noch nicht ausgereicht waren. Schlussendlich gesagt war es ein Kräftemessen mit mir selbst.
Pengpai (The Paper) News: Die im Wuxia-Genre angesiedelte Geschichte von Die Klingen der Wächter, die mit harten Gewaltdarstellungen und blutigen Kampfszenen aufwartet, sowie der grobe, ungeschlachte und aufdringlich wirkende Zeichenstil stechen auffallend im chinesischen Comicschaffen hervor als Vertreter eines Stils und Genres, das von anderen vernachlässigt wird.
Woher haben Sie dafür die künstlerische Inspirationen hergenommen?
Sie haben im Jahr 2011 erste Bilder der Reihe Die Klingen der Wächter veröffentlicht, damals nahmen Figuren wie Daoma oder Shu gerade erst Gestalt an. Die Comicreihe wurde allerdings erst ab 2015 offiziell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was ist denn dazwischen alles passiert?
(Anmerkung: Im Wuxia-Genre stehen in den Kampfkünsten bewanderte Helden im Mittelpunkt, das Setting ist historisch.)
Xu Xianzhe: Die schöpferische Inspiration entsprang der folgenden Idee:
(Ich wollte) Elemente aus dem Western und dem (chinesischen) Wuxia-Genre miteinander verbinden, um eine Geschichte zu erzählen. Aber zuerst müssen Figuren da sein, bevor eine Geschichte entstehen kann. Also habe ich einige Designentwürfe der Figuren gezeichnet und dies waren die Rohentwürfe, die ich 2011 auf Weibo veröffentlicht habe. In der Zwischenzeit war ich ständig damit beschäftigt, weitere Figuren zu kreieren, historisches Quellenmaterial aufzustöbern und zu erforschen und meine Fertigkeiten im Zeichnen zu trainieren, die Bildeinstellungen des Storyboards zu zeichnen und dabei den Plot zu entwerfen. Ständig habe ich (bereits gefasste Pläne) wieder verworfen oder modifiziert. Damals umfasste der Entwurf des Storyboards rund 2000 Seiten, die nach der offiziellen Veröffentlichung alle verworfen wurden. Aber es gab auch einige (Seiten) daraus, die herausgeholt wurden, um sie innerhalb der endgültigen Version zu verwenden. Wenn ich jetzt auf der Suche nach Inspirationen bin, durchstöbere ich manchmal erneut diese verworfenen Entwürfe.
Pengpai (The Paper) News: Viele Leser vertreten die Einschätzung, dass die Reihe Die Klingen der Wächter vom Zeichenstil her einen ähnlichen Charme verströmt wie die Mangas Vagabond, Blade of the Immortal, Beyond the Heavens und Wuxia-Filme.
Von den Werken welcher Künstler sind Sie während des Erschaffungsprozesses besonders stark beeinflusst worden?
Xu Xianzhe: Ich bin ein Filmfan. Von klein auf wurde ich durch das Hongkong-Kino, italienische Westernfilme und japanische Samuraifilme tief beeinflusst. Später habe ich eine Faszination entwickelt für (die Filmreihe) Der Pate und für Mafiafilme von Regisseuren wie Martin Scorsese oder Johnnie To und seiner Produktionsfirma Milkyway Image. Außerdem gefällt mir sehr die heroische Gesinnung in den Biographien der Attentäter (cike liezhuan) (Anmerkung: Kapitel 86 aus den Aufzeichnungen des Historikers (Shiji) von Sima Qian).
Deshalb wollte ich diese Vorlieben als Zutaten für eine filmische Wuxia-Geschichte wie bei einem Potpourri miteinander verschmelzen. Die geschichtlichen Fundamente sollten dabei den Kern bilden. Das war genau der Stoff für die Geschichte.
Außerdem bin ich auch ein Comic-Fan. Viele Mangas haben mich beeinflusst, darunter so herausragende japanische Mangas wie Vagabond, Blade of the Immortal oder Beyond the Heavens, all diese haben bei mir Spuren hinterlassen. Ich erinnere mich, dass ich bei der Lektüre von Vagabond festgestellt habe, als ich beim Kapitel Sasaki Kojirō angelangt war, dass sich der Zeichenstil von Takehiko Inoue augenscheinlich verändert hatte, er wurde realistischer und zeigte Anklänge an Die sieben Sumarai von Akira Kurosawa und an das Gekiga-Genre der 70er Jahre.
Vagabond kombiniert naturalistische, mit dem Füller gezeichnete, Darstellungen mit abstrahierten, mit dem Malpinsel in Freihand gezeichneten, Darstellungen im Xieyi-Stil, die weniger naturgetreu sind, aber die geistige Essenz des Dargestellten wiedergeben.
Bei Blade of the Immortal handelt es sich um mit hoher Fertigkeit ausgeführte Bleistiftskizzen. Bei Beyond the Heavens hingegen verschmelzen die Zeichentechniken der schwarz-weißen Skizzen traditioneller chinesischer Bildergeschichten (Lianhuanhua) mit den Techniken der (traditionellen) Tuschemalerei.
Was aber all diese Werke eint, ist der „Gekiga“-Stil („Bilddrama-Stil“), was eine populäre Bezeichnung für einen naturalistischen Stil ist. Da es sich bei Die Klingen der Wächter um ein ernstes, schwergewichtiges historisches Drama mit der Zielgruppe Seinen (junger Männer) handelt, ist das passendste „äußere Gewand“ in der Darstellungsform natürlich ebenfalls der Gekiga-Stil.
Man muss dazu wissen, dass der japanische Manga sich bis in die Gegenwart hinein (stetig) weiterentwickelt. Die Mangaka haben sich beim Zeichnen bereits sämtlicher Zeichenstile der Welt bedient. Aber ein jeder Zeichenstil blickt auf seine eigene Entwicklungsgeschichte zurück. Die Ursprünge des Gekiga-Genres gehen auf die (Epoche der) 60er Jahre mit der Veröffentlichung von Manga-Einzelbänden zurück.
Was Technik und Methodik betrifft, wird auf realistische Proportionen geachtet, es werden vermehrt Schraffierungen eingesetzt und finstere Bilder transportieren ernste, tiefschürfende Inhalte. Zu den bekannten Vertretern zählen Ryōichi Ikegami (Sanctuary), Gōseki Kojima (Lone Wolf & Cub), Takao Saitô (Golgo 13) und Hideki Mori (Bokkō / Mohist Attack).
Ich habe also begonnen, das System aus Techniken und Methoden des Gekiga-Zeichenstils zu studieren und habe mir dabei die charakteristischen Techniken und Methoden jeder Epoche angeeignet. So wie Osamu Tezuka den Ruf genießt, der „Gott des japanischen Mangas“ zu sein, besitzt auch das historische Gekiga-Genre in Japan einen ehrwürdigen Großmeister, der wie eine Gottheit verehrt wird: Hiroshi Hirata. Auf der Ebene der technischen und methodischen Ausdrucksweise war es Großmeister Hiroshi Hirata, der mich am meisten beeinflusst hat. Heutzutage befindet sich der Gekiga-Stil im Niedergang, der Mehrheit der Leser ist dieser Begriff nicht mehr geläufig. Deshalb werde ich weiterhin mit ganzem Eifer diese Techniken und Methoden studieren. Ich hoffe sehr, dass ich einiges Tages dazu in der Lage sein werde, für die Entwicklung und Erneuerung des Gekiga-Stils einen Beitrag zu leisten.
Pengpai (The Paper) News: Die Entwicklung des Plots und die historischen Ereignisse in Die Klingen der Wächter sind eng miteinander verwoben. Die Kostüme, Waffen und Wortwahl bei den Aussprüchen der Figuren sind ebenfalls äußerst geschmackvoll und erlesen.
Welche Recherchen haben Sie für dieses Design getroffen, bevor Sie sie mit dem Stift zu Papier bringen konnten?
Xu Xianzhe: Ich habe ein intensives Quellenstudium betrieben.
Ich habe während der Vorbereitungsphase die Geschichte der Sui-Dynastie (Sui shu) und den Umfassenden Zeitspiegel zur Hilfe bei der Regierung (Zizhi tongjian) gelesen.
Später, nachdem ich mit der Serialisierung der Reihe begonnen habe, habe ich den Großteil der Detailinformationen darin wieder vergessen, aber weil ich mir bereits einen Kenntnisrahmen errichtet hatte, konnte ich Detailinformationen, wenn ich sie brauchte, sehr schnell ausfindig machen. Für den Abgleich der Darstellung der Waffen mit historischen Quellen habe ich Experten konsultiert. Beim Malen von Gebäuden haben meine Assistenten ebenfalls sehr gewissenhaft Quellenmaterial untersucht und zum Vergleich herangezogen, bevor sie mit dem Zeichnen begonnen haben. Natürlich wurden viele Details in der Darstellung aufgrund ästhetischer Anforderungen des Werkes nicht vollständig gemäß historischer Quellen ausgeführt, dazu gehören etwa die Rollentexte der Figuren. Es stellt sich als sehr schwierig dar, die während der Dynastien der Sui und Tang verwendete Umgangssprache originaltreu wiederzugeben, denn wenn man dies täte, wäre es für niemanden mehr sprachlich verständlich. Auch jetzt noch übe ich mich jede Woche am Studium der historischen Quellen, um sicherzustellen, dass es beim Abgleich von Details mit den historischen Vorlagen zu keinen Patzern kommt. Aber das historische Quellenmaterial der chinesischen Geschichte liegt nicht digitalisiert vor. Viele Aufzeichnungen von Detailinformationen stehen zueinander im Widerspruch und weisen Stellen auf, die unter großem Zeitaufwand überprüft werden müssen. Deshalb muss man sich bei den einander widersprüchlichen Abschnitten auf den gesunden Menschenverstand und die Logik verlassen, um diese analysieren und bewerten zu können (beispielsweise ob es sich bei dem angeblichen Vatermord des Kaisers Yang Guang um einen wahren Sachverhalt handelt). Für einige schwer überprüfbare Detailinformationen, z. B. die (administrative) Aufteilung des Armeebataillions von Yingyang, habe ich mir über das Internet wissenschaftliche Abhandlungen bestellt.
Pengpai (The Paper) News: Viele Journalisten sind durch ein auf Weibo veröffentlichtes Posting namens „Ein Japaner möchte den Manhua voranbringen“ des Chefredakteurs Kazuji Kurihara auf Die Klingen der Wächter aufmerksam geworden und haben ihre Begeisterung für diese Reihe entdeckt. Der ehrenwerte Herr Kurihara ist ein altgedienter Lektor und Redakteur, der auf eine über 40-jährige Berufserfahrung zurückblickt. Er lobt die Reihe Die Klingen der Wächter in den höchsten Tönen und ist auch eigens für die Arbeit an dieser Reihe nach China gekommen. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit Herrn Kurihara gemacht? Hat er Ihr Schaffen beeinflusst?
Xu Xianzhe: Unser Arbeitsmodus sieht normalerweise so aus, dass wir im Voraus über den Aufbau und die Entwicklung des Plots diskutieren. Anschließend gehe ich dazu über, 2-3 Tage dafür zu investieren, die Bildeinstellungen im Storyboard festzulegen. Wenn ich damit fertig bin, gebe ich sie an Herrn Kurihara zur Begutachtung weiter. Die Zusammenarbeit zwischen Comickünstler und Lektor erstreckt sich bis zur Festlegung der Bildeinstellungen. Herr Kurihara ist als Manhua-Lektor der erste Leser – ein Leser, der sehr streng und kritisch ist und überall ein Haar in der Suppe findet.
Jedes Mal, wenn Herr Kurihara das Storyboard für ein Kapitel fertiggelesen hat, legt er mir in einer langen E-Mail sehr ausführlich seine Eindrücke dar. Beispielsweise würde er sagen, dass ein (bestimmter) Abschnitt über eine große Wucht verfügt, während ein anderer Abschnitt sehr berührend ist. Außerdem würde er (die Inhalte) von der Ebene der Dramaturgie aus analysieren. Ich kann dadurch natürlich sehr viel an Wissen und Fertigkeiten absorbieren. Auch wird dadurch mein kreativer Enthusiasmus angestachelt. Herr Kurisawa ist wie ich ein Filmfan. Wir haben (dadurch) viele gemeinsame Gesprächsthemen. Auf der beruflichen Ebene bringen wir einander Vertrauen und Respekt entgegen. Privat sind wir auch sehr enge Freunde (geworden), der Generationenunterschied (zwischen uns) spielt dabei keine Rolle.
Pengpai (The Paper) News: Die Figur der Ayuya mit ihrer Sensibilität, Tapferkeit und Standhaftigkeit hinterlässt bei einem einen tiefen Eindruck. Am Ende des Aktes Die weite Wüste tritt sie einer Söldnertruppe bei, um Einfluss auf das Zeitgeschehen nehmen zu können, wodurch eine feministische Sichtweise subtil herausgearbeitet wird.
Wie bewerten Sie diese Figur, oder welche Einstellungen haben Sie in diese Figur einfließen lassen?
Xu Xianzhe: (Diese Frage ist ein Spoiler. Also antworte ich direkt mit einem Spoiler.)
Ich persönlich bringe dem weiblichen Geschlecht großen Respekt entgegen, und ich mag Frauen, die unabhängig und selbstbestimmt sind.
Ich habe sehr viele (literarische) Werke gelesen, in denen weiblichen Figuren nur die Rollen von dekorativen Blumenvasen oder von untergeordneten Anhängseln zugedacht sind, so als ob Frauen nicht über eigene Persönlichkeiten und Charaktereigenschaften verfügten.
Ihr Lebensziel und Daseinszweck besteht einzig darin, mit einem Manne mit Macht und Einfluss eine Liebesbeziehung einzugehen, um in eine höhere Gesellschaftsschicht aufsteigen zu können ….
Selbst in Dramaserien, in denen Frauen die Hauptrollen besetzen, geht es am Ende doch nur darum, die eigenen Ziele durch sexuelle Anziehungskraft zu erreichen. Es entsteht dabei eine gegenseitige Wechselwirkung mit einigen verzerren Wertvorstellungen unserer modernen Gesellschaft. Ich halte dies für nicht richtig.
Ayuya ist eine Frau aus den westlichen Regionen (Zentralasiens). Sie besitzt einen unabhängigen und offenen Charakter. Ich glaube, dass sie anfänglich noch nicht ganz reif war, aber sie trifft unerwartet ein schrecklicher Schicksalsschlag, bei dem sie ihren Vater, der sie immer beschützt hat, verliert. Ihr Herz ist dadurch von Hass erfüllt. Von diesem Ausgangspunkt ausgehend habe ich ständig mit ihrem seelischen Inneren einen Dialog geführt. Ich habe versucht, mich in ihre Situation hineinzuversetzen und ihre Gemütslage nachzuvollziehen. Die Szene, in der sie mitten im Sandsturm von der Pferdekutsche springt, hat mich selbst in Bestürzung versetzt. Dieser entschlossene Kuss war ihre eigene Entscheidung, es lag nicht mehr unter meiner Kontrolle. Sie begann sich in eine Rachegöttin zu verwandeln. Als ich diesen Abschnitt gezeichnet habe, musste ich sehr oft weinen.
Später gerät sie im feindlichen Lager in Gefangenschaft. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie die schwierige Lage zu durchbrechen wäre. Dem Klischee nach sollte Daoma zu ihrer Rettung herbeieilen. Aber ich fand das nicht richtig, da Ayuya bereits erwachsen geworden war und da es ihre eigene Entscheidung gewesen war, zurückzukehren. Ihre Rache musste sie unbedingt eigenhändig ausführen, nicht durch andere. Tatsächlich habe ich ab dem Moment, als Ayuya von der Pferdekutsche gesprungen ist, gespürt, dass sie nicht mehr den gleichen Weg wie Daoma gehen würde. Daher musste es zwangsläufig darauf hinauslaufen, dass sie sich der Söldnertruppe anschließt. Sie ist bereits erwachsen geworden, sie möchte weiter am Leben wachsen, sie möchte durch ihren Glauben ihren Familienklan neu aufbauen.
Pengpai (The Paper) News: Von Figuren wie Shu, der „Schwalbendame“ Yanziniang, Pei Xingyan, Heyi Xuan aus dem zweiten Akt oder Qin Shubao und Yuchi Gong aus dem dritten Akt geht eine Faszination aus, da diese Charaktere sowohl lichte als auch dunkle Seiten besitzen.
Es gibt hier nicht die übliche Rollenverteilung (wie bei den Gesichtsmasken in der chinesischen Oper) aus Helden und Bösewichten. Wie haben Sie diesen Figuren eine Seele eingeflößt?
Xu Xianzhe: Alle Geschichten sind (im Grunde) Erzählungen von der Seele. Der zentrale Kern in einer Geschichte sind die Figuren. Die höchste Stufe der Erzählkunst besteht darin, tief in die Seelen der Figuren einzudringen. Mir kommt es so vor, als ob nicht ich diese Figuren erschaffen habe, sondern als ob sie wirklich in jener anderen Welt lebten. Ich habe sie nur entdeckt und zur Darstellung gebracht.
Pengpai (The Paper) News: Durch die herausragenden Nebenfiguren wird die Präsenz der Hauptfigur des Daoma hingegen ziemlich abgeschwächt. Was meinen Sie dazu?
Xu Xianzhe: Die Figur des Daoma ist bereits (fest) etabliert, seine Präsenz ist sehr spürbar, er treibt stets den roten Faden in der Geschichte voran. Deshalb ist es an der Zeit, den anderen Figuren den Spielraum zu geben, sich zu entfalten, denn das Werk soll nicht zu einer Ein-Mann-Show werden. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden wir nochmals zu Daoma und Xiaoqi zurückkehren.
Pengpai (The Paper) News: In Die Klingen der Wächter werden ohne jegliche Tabus gewalttätige und blutrünstige Szenen zeichnerisch dargestellt, wie etwa das Töten von Menschen, das Abschlagen von Köpfen oder das Abtrennen von Körperteilen. Brachte das Schwierigkeiten mit sich, durch die (staatliche) Zensur zu kommen?
Scheiden bei solchen Kriterien bei der Werkerschaffung nicht von vornherein ein großer Teil der Leserschaft aus? Der Manhua ist dadurch (wohl) mehr an junge Erwachsene gerichtet als an Jugendliche.
Xu Xianzhe: Über diese Fragestellungen habe ich nicht nachgedacht. Ich habe nur immer danach gestrebt, ein gutes Werk zu erschaffen. Die bildliche Darstellung des Tötens dient nur dazu, das gesellschaftliche Umfeld in Zeiten des Umbruchs realistischer zu schildern, nicht jedoch dazu, um als sinnlicher Reiz die Sinnesorgane zu stimulieren. Und alles läuft innerhalb eines Rahmens ab, der auch bei Filmen des Mainstreams normal ist.
Meine Kooperationspartner Xin Manhua (New Manhua) und Duke Books, die für die Publizierung der Printausgaben verantwortlich sind, haben ebenfalls stets meine künstlerische Freiheit respektiert.
In China ist der Bereich von Manhua für junge Erwachsene relativ unbesetzt, deshalb haben einige autorisierte Plattformen keine Möglichkeit, die Reihe in die richtige Kategorie zu setzen, deshalb haben sie wohl die Reihe in die Kategorie der Manhua für Jugendliche eingereiht. Tatsächlich richtet sich Die Klingen der Wächter an junge Erwachsene und verwendet dabei einen filmischen Erzählstil. Den Hauptteil der Leserschaft bilden seelisch und intellektuell reife junge Erwachsene, und damit bedarf es einer eindringlichen Darstellungsweise.
Pengpai (The Paper) News: Auf der ersten Seite des ersten Bandes der Printausgabe steht geschrieben: „Das Streben aller Welt – das Wimmeln und Wuseln aller Kreaturen – gilt dem eigenen Profit.“ Dieser Ausspruch taucht auch weiter hinten im Manhua an verschiedenen Stellen auf. Welche Funktion besitzt er gegenüber der Handlung? Welche Wertvorstellungen möchten Sie dem Publikum vermitteln?
Xu Xianzhe: „Das Streben aller Welt – das Wimmeln und Wuseln aller Kreaturen – gilt dem eigenen Profit.“ – (Dieser Ausspruch) beschreibt das Wesen aller gesellschaftlichen Aktivitäten der menschlichen Spezies. Dies lässt sich nicht abstreiten. Aber dieser (grundsätzlichen) Natur sind noch andere Verhaltensweisen vorgelagert, die (das Streben nach) dem eigenen Vorteil überwinden, und das sind die menschlichen Gefühle. Ich vermittle als Schöpfer keinerlei Wertvorstellungen. Anstatt durch das Werk bestimmte Wertvorstellungen zu transportieren, finde ich es besser, darzustellen, wie unterschiedliche Wertvorstellungen miteinander kollidieren und in Konflikt geraten. Es soll dann ein jeder Leser für sich selbst ein Urteil darüber fällen.
Pengpai (The Paper) News: Wie man hört, ist die Weiterentwicklung der Marke Die Klingen der Wächter bereits in (vollen) Gange. Das Team von Money King: Hero Is Back wird die Produktion der Adaption zum Anime (Chinesich: „Donghua“) übernehmen. Die Produzenten von Day and Night werden für die Realverfilmung verantwortlich sein.
Ist es dafür angesichts des gegenwärtigen Umfangs des Plots nicht noch etwas zu früh?
Werden Sie bei der Produktion der Animeadaption und der Realverfilmung beteiligt sein?
Gibt es Stars, von denen Sie sich wünschen, dass sie (für eine Rolle) engagiert werden?
Xu Xianzhe: Bei einer Adaption kommt es nicht darauf an, wie man es möglichst der Vorlage getreu verfilmt, sondern wie man aus der Textvorlage möglichst viel herausholt und wie man diese ergänzt. Es kann vorkommen, dass Internetliteratur, die einen Textkorpus von zehntausenden an Zeichen umfasst, bei der Verfilmung so vollkommen entstellt wird, dass vom ursprünglichen Antlitz nichts mehr übrigbleibt und ein zusammenhangloser Wirrwarr entsteht.
Ein Textkorpus von nur wenigen hundert Schriftzeichen kann einen Regisseur jedoch mitunter dazu inspirieren, einen hervorragenden zweistündigen Film zu drehen. Deshalb ist der Textumfang der Vorlage eigentlich nicht sehr wichtig.
Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich in der Lage bin, mit Film- und Animationsteams zusammenzuarbeiten, die in China zur Spitze gehören. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass dabei gute Resultate herauskommen werden. Ich werde in meiner Rolle als Autor der Vorlage bei der Beaufsichtigung der Adaption mitwirken.
Pengpai (The Paper) News: Die Klingen der Wächter hat auch in Japan Fuss gefasst und wurde in einem Bericht (des Fernsehsenders) NHK als „Paradebeispiel eines chinesischen Manhuas von Weltrang“ und als „Glanzstück eines chinesischen Manhuas“ gepriesen. Entsteht dadurch, dass Sie für Ihr Erstlingswerk bereits mit Lob auf einem so hohen Niveau überhäuft wurden, bei Ihnen ein Druck für Ihr nachfolgendes Schaffen, den hohen Erwartungen gerecht zu werden?
Xu Xianzhe: Ich bin der Meinung, dass die Beurteilung durch die Außenwelt nur einen Ansporn darstellt. Ich bin in der Tat auch jetzt mit meinem Werk immer noch nicht vollkommen zufrieden. In der nachfolgenden Geschichte gibt es immer noch vieles, was ich noch darlegen möchte. Ich entwickle mich ständig weiter. Mein Ziel ist es, aus Die Klingen der Wächter ein Werk von Weltklasse zu machen, damit noch mehr Menschen daran Gefallen finden (mögen).
Pengpai (The Paper) News: Sie stehen in der Tradition überlieferter Manhua-Formen. Wie beurteilen Sie die gegenwärtig populären Webcomics?
Xu Xianzhe: Ich finde, dass die Form im Grunde egal ist. Es kommt auf die Qualität des Inhalts an. Die Manhuabranche in China steckt gegenwärtig noch in den Kinderschuhen. Es wird sehr viel (Kapital) investiert, die Eintrittsschwellen sind relativ tief. Sehr viele, die eigentlich nichts von Comics verstehen, beginnen Comics zu produzieren. Die Anzahl der Web-Manhuas ist daher gigantisch, aber es gibt qualitativ sehr große Unterschiede. Aber die Leser werden sich stets wünschen, immer bessere Werke zu lesen. Sobald mehr qualitativ hochstehende Werke vorliegen, wird der Markt in Folge auch immer grösser werden.
Die japanischen Manga blicken auf eine Entwicklung von 70 Jahren zurück, die dortige Branche hat schon einen sehr reifen Zustand erreicht. Die japanischen Mangaka arbeiten ihr ganzes Leben lang an ihren Mangas und entwickeln sich dadurch Schritt für Schritt weiter, bis sie den Stand von Großmeistern erreichen. Bei den Werken in China handelt es sich (gegenwärtig) zum größten Teil um Erstlingswerke.
Manche ziehen die Werke japanischer Großmeister zum Vergleich mit den Werken chinesischer Newcomer heran, um daran die Unzulänglichkeiten chinesischer Manhuas aufzuzeigen. Das ist ungerecht und argumentativ nicht zulässig. Japanische Leser gehen mit ihren Neulingen im Mangabereich nicht so hart ins Gericht.
Es gibt mittlerweile immer mehr Schöpfer, die all ihren Eifer darin stecken, Werke zu erschaffen, die die Menschen berühren. Das schöpferische Umfeld hat sich gegenüber früher auch stark verbessert. Wenn die in der Branche Tätigen alle sich ganz (in ihre Arbeit) vertiefen, dem Manhua (als Kunstform) und den Lesern Respekt entgegenbringen, so denke ich, dass uns ganz gewiss eine noch schönere Zukunft bevorsteht.