Hervorragende Fortsetzung: „Search And Destroy“ – Band 02
Selten begeisterte uns ein Manga so sehr wie der Auftakt von Atsushi Kanekos Search And Destroy, einer SciFi-Adaption von Osamu Tezukas Dororo. Vor Kurzem ist der zweite Band der Trilogie auf Deutsch erschienen. Im Rahmen der folgenden Besprechung möchten wir darlegen, inwiefern der Titel den weiterhin hochliegenden Erwartungen gerecht wird.
In Japan ist der Manga zwischen Oktober 2018 und März 2020 kapitelweise im Micro Magazine von TezuComi erschienen, der Herausgeber veröffentlichte die Geschichte in insgesamt drei Bänden. Seit vergangenen Dezember erscheint das Werk auch auf Deutsch. Der Hamburger Herausgeber Carlsen Manga hat sich die entsprechenden Veröffentlichungsrechte gesichert. Der zweite Band erschien hierzulande Anfang Mai.
Zu einem Preis von 15,00 € ist eine großformatige Klappenbroschur geboten, die diesmal einen Gesamtumfang von rund 240 Seiten zählt. Für die deutschsprachige Veröffentlichung wurde weder bei der Papier- noch Druckqualität gespart. Ein klarer, deutlicher und vor allem fehlerfreier Druck auf glattem Hochglanz-Papier ist geboten. Die Dicke und Farbreinheit des Papiers spricht für die hohe Qualität der Produktion.
Das matte Coverdesign ist mit einer Art metallischer Farbe versehen, sodass ein leichter Glanzeffekt zu beobachten ist. Obwohl das Gewicht mit etwas mehr als 500 Gramm ein wenig höher als bei gewöhnlichen Manga ausfällt, liegt dieser gut in der Hand. Sowohl hinsichtlich der Größe als auch in Bezug auf die Haptik ist der Titel sehr angenehm.
Inhaltsbeschreibung
Einst tobte ein Krieg – Bomben und Roboter dominierten die Schlachtfelder der Welt. Mittlerweile ist oberflächlicher Frieden eingekehrt. Menschen, welche in Anlehnung auf die Bezeichnung der Gattung Homo Sapiens als Sapo bezeichnet werden, leben in einer Gesellschaft mit jenen mechanischen Erzeugnissen, die über besonderen Verstand verfügen, zusammen. Diese werden unter der Begrifflichkeit der Keras zusammengefasst und gelten aufgrund ihrer im Krieg geleisteten Verdienste als vollwertige Bürger. Deren Rechte wurden zuletzt immer wieder von dem verantwortlichen Bürgermeister von Hachisuka City gestärkt. Ein Stadtratsmitglied, das diese Entwicklung kritisiert, wird kurzerhand aus seiner Position entfernt –besorgniserregende Zustände hinter der Scheinfassade jener Großstadt.
Dabei sind diese roboterartigen Kreaturen mitnichten eine homogene Gruppe rechtschaffender Staatsangehöriger; auch innerhalb dieser Kreise haben sich längst kriminell agierende Strukturen entwickelt. Eine junge Frau zunächst unbekannter Herkunft und Zugehörigkeit, bedeckt mit dem stinkenden Fell eines wilden Tieres, stellte sich zuletzt einer solchen Organisation bewaffnet entgegen. Für die junge Waise namens Doro war das die Rettung, denn aufgrund des versuchten Diebstahls waren Handlanger der Mafia-artigen Gemeinschaft gerade im Begriff, das junge Waisenmädchen zu liquidieren. Beide entkamen vom Ort des Geschehens.
Wie sich herausgestellt hat, ist es das Ziel der Attentäterin namens Hyaku, alle ihr geraubten Körperteile wiederzugewinnen. Im Kindesalter verlor sie aufgrund noch nicht abschließend geklärter Umstände 48 Körperteile, die schließlich durch mechanische Komponenten ersetzt wurden. Seit sie weiß, dass diese im Besitz einzelner Kreas sind, hat sie beschlossen, ihren menschlichen Körper vollständig wiederherzustellen – und Vergeltung für das ihr zugefügte Leid zu üben. Jenes Konzept knüpft an Osamu Tezukas Dororo an. Dennoch ist es mitnichten obligatorisch, die Original-Geschichte zu kennen.
Bereits im vorangegangenen Auftakt gelang es Hyaku, sowohl ihre Zunge als auch ihre beiden Augen wieder in den eigenen Besitz zu bringen. Direkt nach Wiedergewinnung der beiden Sinnesorgane hat sie diese mit ihrem Körper vereinigt – doch hat das nicht nur Vorteile, wie sie schnell merken muss. Denn mit der zunehmenden Vermenschlichung muss sie beispielsweise lernen, auf die gewohnte Zoom-Funktion der bisherigen Cyborg-Augen zu verzichten. Außerdem entwickelt Hyaku ein Schmerzempfinden.
Dies ist der erste Faktor, der die weiteren Rachepläne zunehmend erschwert. Hinzukommt, dass ihr Handeln von den Krea unterstützenden Obrigkeiten nicht unbemerkt bleibt – im Rathaus wird schließlich ihre Identität enthüllt und ein korrupter Kriminalbeamter, der schon zuvor in dem Fall der Roboter-Zerstörungen ermittelte, mit der Beseitigung Hyakus betraut.
In einem hochpreisigen Etablissement des Rotlicht-Mileus steht ein weiter Showdown bevor. Die Chance, die eigenen Beine wiederzuerlangen, ist für Hyaku zum Greifen nahe. Der eingesetzte Sonderermittler ahnt allerdings bereits um die Gefahr und warnt die Krea telefonisch vor …
Im zweiten Band ist von diesem wie weiteren Zusammentreffen der verfeindeten Parteien erzählt. Die Kleinkriminelle Doro begleitet die Rächerin dabei noch immer. Durch ihre hohe Technikaffinität beweist sich diese als nützlich. Gemeinsam bilden die beiden ein gutes Team, das von den individuellen Stärken profitiert.
Während die Mysterien um Protagonistin Hyaku zunehmend enthüllt werden, verbleibt die Figur der Doro aktuell noch im Hintergrund. Erst für den noch kommenden – und zugleich finalen – Teil sind Enthüllungen rund um die junge Waise angekündigt. Der Verlauf des zweiten Bandes folgt dem aus Band 01 bekannten Tenor der düsteren Science-Fiction-Reihe.
Visualisierung
Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch, hebt sich Search and Destroy – auch weiterhin – hervorragend von Mainstream-Publikationen ab.
Die Zeichnungen schließen interessanterweise keine Graustufen ein, sondern bestehen ausschließlich aus schwarzen und weißen Flächen sowie zahlreichen Strichen. Letztere sind ein Kernelement der Illustrationen und verleihen diesen durch verschiedenartige Anordnung Struktur. Statt auf Graustufen zur Kontrastierung zurückzugreifen, arbeitet der verantwortliche Zeichner, Atsushi Kaneko, hier maßgeblich mit dem Abstand der verschiedenen Striche und Flächen zueinander. Damit bestimmt er den visuellen Raum effektiv.
Im Charakterdesign spiegeln sich zudem die verschiedenen Stil-Einflüsse des japanischen Künstlers deutlich wieder, wodurch der Bebilderung ein unbestreitbar Duktus inneliegt. Des Weiteren gliedern sich diese Designs hervorragend in das retrofuturistische Cyberpunk-Setting der Geschichte ein.
Mit der von Carlsen Manga zum ersten Band bereitgestellte Leseprobe kann ein individueller Eindruck von der wirklich nur äußerst schwierig ganzheitlich zu beschreibenden Bebilderung der erklärten Handlung gewonnen werden. Diese digitale Preview ist entweder hier direkt oder alternativ über die offizielle Webseite des Hamburger Herausgebers an dieser Stelle zu beziehen.
Über Osamu Tezuka
Osamu Tezuka wurde am 3. November 1928 in Toyonaka (Provinz Osaka) geboren. Als er sieben Jahre alt war, zog seine Familie nach Takarazuka, wo er schon während seiner Grundschulzeit damit begann, Manga zu zeichnen. Daneben verfolgte er aber auch noch weitere Interessen, besuchte des öfteren das Planetarium in Osaka oder das Frauen-Musicaltheater »Takarazuka-Revue«.
Die größte Leidenschaft in seinen frühen Lebensjahren galt allerdings der Welt der Insekten. Diese kleinen Lebewesen übten eine solche Faszination auf ihn aus, das Tezuka seinem Namen noch ein Schriftzeichen, gleichbedeutend mit unserem Wort »Insekt«, hinzufügte.
Trotz des sich bald entwickelnden Interesses für Zeichentrickfilme, die sogenannten Anime, begann Tezuka 1945 nach Schulabschluss ein Medizinstudium und tat es somit seinem Vater gleich. Doch schon während der Studienzeit arbeitete er an verschiedenen Manga, der erste erschien 1946 in dem Magazin »Shokokuminshinbun« unter dem Namen »Ma-chans Tagebuch«.
Während des Studiums arbeitete Tezuka weiter erfolgreich an verschiedenen Manga-Projekten, so entstanden dabei z. B. »Shin Takarajima«, der erste Manga in Buchform, von dem sich auf Anhieb 400.000 Exemplare verkauften, oder »Janguru Taitei«, den wir als KIMBA, DER WEISSE LÖWE kennen.
Nach erfolgreichem Abschluss des Medizinstudiums zog 1952 Tezuka von Osaka nach Tokyo, da er von mehreren Verlagen angeworben wurde, hauptberuflich Manga zu zeichnen. Dort entstanden die erfolgreichen Reihen »Ribon no Kishi« (übers.: »Der Ritter mit der Schleife«) und »Tetsuwan Atomu«, hierzulande unter dem Namen ASTRO BOY bekannt.
1960 entstand mit »Seiyuki - Die Reise nach Westen« sein erster Anime. Ein Jahr später erhielt Tezuka die Doktorwürde der Medizin und gründete außerdem seine eigene Produktionsfirma, die »Mushi Production AG«.
Nach und nach wurden immer mehr Werke von Tezuka als Anime im Fernsehen ausgestrahlt, ebenso entstanden einige Realverfilmungen.
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Nachdem Tezuka 1964 in New York Walt Disney getroffen hatte, wurde auch dort zum ersten Mal ein Anime, nämlich ASTRO BOY, von ihm veröffentlicht.
Durch viele Reisen, die Tezuka u. a. nach Amerika und Europa führten, wurde sein Werk in immer mehr Teilen der Erde bekannt. Zu seiner Arbeit sagte Tezuka: »Was ich durch meine Arbeit auszudrücken versuche, ist sehr einfach. "Liebe alle Kreaturen dieser Welt! Liebe alles, was lebendig ist!" Diese Botschaft habe ich in all meinen Werken auszudrücken versucht.«
Tezukas Leben war von einer unglaublichen Schaffenskraft geprägt, seine Werke umfassen insgesamt 150.000 Seiten Comics, seine Animes können 60 Abende füllen. Der zweite Weltkrieg hatte im übrigen einen großen Einfluss auf viele seiner Geschichten.
Osamu Tezuka starb 1989 an Krebs. Einen Tag nach seinem Tod erschien in einer japanischen Tageszeitung ein Nachruf, in dem auch die Frage gestellt wird, weshalb die Menschen im Ausland nicht in dem Maße Comics liebten wie es die Japaner täten. Die Antwort gibt der Verfasser am Ende selbst: »Eine Antwort ist, daß es in ihren Ländern keinen Tezuka gegeben hat!«
In seiner Heimat Japan hat Osamu Tezuka einen höheren Stellenwert als Hergé oder Walt Disney in der westlichen Welt. 1994 wurde in seiner Heimatstadt Takarazuka die Tezuka-Osamu-Gedenkhalle errichtet, um sein Leben und Werk zu würdigen, denn Tezuka gilt als der Urvater des Manga, in Japan wird er gar als »Manga no kamisama - Gott des Manga« bezeichnet. (© Carlsen Verlag GmbH)
Über Atsushi Kaneko
Atsushi Kaneko wurde am 26. Dezember 1966 in Sakata/Präfektur Yamagata geboren. Inspiriert von Musik und Film – weniger von Manga selbst ─ begann er nach dem Studium zu zeichnen. Erste Aufmerksamkeit erhielt das aus seiner Feder stammende Ratty gets new way bei einem Wettbewerb des zum Verlag Shogakukan gehörenden Magazins Big Comic Spirits im Jahr 1990. Von 2000 bis 2002 erschien Bambi, eine siebenbändige Serie, die in Frankreich ab 2006 verlegt wurde. Ab 2003 arbeitete Kaneko an Soil, einem mysteriösen Thriller, der in einer Retortenstadt spielt. Von der Kritik gut aufgenommen und auch auf dem Internationalen Comicfestival in Angoulême zweimalig nominiert, wurde die Serie in 11 Bänden schließlich 2012 mit dem „Grand Prix L’Imaginaire“ ausgezeichnet. Aktuell liegen in Japan bereits zwei Bände von Kanekos neustem Streich Deathco vor, der im japanischen Magazin Comic Beam aus dem Hause Enterbrain vorveröffentlicht wird.
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Atsushi Kaneko gilt in der japanischen Comicwelt als Rebell und Ausnahmetalent: Graphisch vergleichbar mit amerikanischen Künstlern wie Charles Burns oder Paul Pope, im Erzählstil cineastisch angelehnt an David Lynch, Alfred Hitchcock oder Quentin Tarantino, zählt Kaneko gleichfalls Georges Méliès‘ Stummfilm „A trip to the moon“, den japanischen Zeichner Suehiro Maruo als auch den Punk zu seinen Einflüssen. Sein dreibändiger Thriller Wet Moon im Film-Noir-Stil wurde 2014 mit dem französischen Kritikerpreis (Prix Asie ACBD) ausgezeichnet und schaffte es 2015 auf die Nominierungsliste von Angoulême. (© Carlsen Verlag GmbH)
Konklusion
Obwohl die sprichwörtliche Messlatte sicherlich hoch angesetzt war, gelang es Search And Destroy, – scheinbar geradezu spielend – unsere persönlichen Erwartungen ein weiteres Mal zu übertreffen. Nach dem Lesen gibt es keine Spur von Enttäuschung, der zweite Band setzt die Science-Fiction-Adaption herausragend gut fort. Dieser Manga ist, vom aktuellen Stand ausgehend, ein Meisterwerk, das die deutschsprachige Leserschaft auf keinen Fall verpassen sollte.
Wie bereits in der vorangegangen Besprechung zutreffend erklärt, ist jede einzelne Seite eine spürbar hochachtungsvolle Hommage an Osamu Tezukas Dororo, die die bekannte Szenerie meisterhaft in ein neues Setting zu überführen weiß. Autor und Zeichner Atsushi Kaneko gelingt es dabei, auch nicht zuletzt wegen der beschriebenen Visualisierung, seinen eigenen Stil in das Werk zu legen.
Mit dem dritten Band steht zugleich der Abschluss der Geschichte bevor. Der 31. August gilt aktuell als angestrebter Veröffentlichungstermin für den Handlungshöhepunkt der Trilogie. Mit Wet Moon ist schon seit einigen Jahren ein weiteres Werk des Künstlers bei dem Hamburger Herausgeber auf Deutsch erhältlich, das für Interessierte ebenfalls einen Blick wert sein könnte. Die Original-Vorlage wurde hierzulande bislang leider noch nicht veröffentlicht.
Für die freundliche Unterstützung in Form der Bereitstellung eines Belegexemplars, das diesen Artikel ermöglicht, gilt Carlsen Manga besonderer Dank. Die im Obigen für das Werk ausgedrückte Euphorie ist jedoch lediglich die subjektive Meinung des im nachfolgenden Bereich ausgewiesenen Redakteurs von Manga Passion und steht in keinerlei Relation zu der Zusammenarbeit mit dem Verlag, die in diesem Fall nicht über die erklärte Zurverfügungstellung hinausgeht.