Interview mit Egmont Manga – Nachdrucke, Boys Love und Zukunftsaussichten
Passend zu unserem Jubiläum durften wir ein Interview mit dem Berliner Manga Verlag Egmont Manga führen. Programmleiter Michael Cheng stand dabei für unsere Fragen zur Verfügung und plauderte mit uns über Webtoons, Boys Love und die Zukunftsaussichten für 2021 und 2022.
Nachfolgend werden wir uns mit MP abkürzen.
MP: Hallo Michael und vielen Dank, dass du dir mal wieder die Zeit für uns nimmst.
Michael: Hi Maximilian, klar gerne.
MP: Wir hatten zuletzt Mitte 2020 das Vergnügen. Wie hat sich der Markt für euch nach den anfänglichen Problemen, die jeder Verlag 2020 erfahren hat, dann noch entwickelt?
Michael: Verdammt gut. Der Manga-Markt hat sich erstaunlich schnell erholt und wir hatten 2020 letztlich ein sehr erfolgreiches Jahr. Die Nachfrage nach guten Mangas war groß und wir und die anderen Verlage haben glücklicherweise in gleicher Taktung weiter produzieren können, um dem Rechnung zu tragen.
MP: Vor einiger Zeit habt ihr mit der sogenannten Match-me-Aktion verschiedene Bände eurer Romance-Reihen in Erstauflage beworben – seit Längerem hat man davon nichts mehr gehört. Wie steht es um die Aktion, wurde sie eingestellt? Dürfen sich Romance-Fans in absehbarer Zukunft auf eine neue Aktion freuen?
Michael: Match me hat zu seiner Zeit gut funktioniert, aber wir verfolgen mittlerweile einen anderen Ansatz. Unsere Extras sollen möglichst stark in der jeweiligen Serie verwurzelt sein. So legen wir beispielsweise Band 1 von Ein Gefühl namens Liebe ein Notizbuch bei, das die beiden verliebten Hauptpersonen auch in der Geschichte nutzen. Sie schreiben sich darin, was sie als nächstes gemeinsam unternehmen wollen. Wir mögen solche einzigartigen Extras, die zur Geschichte passen und glauben, dass auch die Fans das zu schätzen wissen.
MP: Im vergangenen März ging Hayabusa an den Start. Das neue Carlsen-Label fährt dabei ein enormes Boys-Love-Programm auf. Bisher galt Egmont Manga für BL-Fans als DIE Anlaufstelle – glaubt ihr, dass sich die Gründung von Hayabusa in irgendeiner Weise auf euer zukünftiges Angebot auswirken wird?
Michael: Ich glaube, die Gründung von Hayabusa wird unser BL-Angebot noch verbessern und die Nachfrage im BL-Segment weiter ankurbeln. Der Manga-Markt hat sich in den letzten Jahren ausdifferenziert, etablierte Verlage haben ihr Profil geschärft, neue Player sind am Markt aufgetaucht, die nicht mehr jedes Genre und jedes Format abdecken. Hayabusa ist das aktuelle Beispiel dafür. Meiner Meinung nach hat diese Ausdifferenzierung die Nachfrage generell angekurbelt und ich denke, bei Boys Love wird es ähnlich sein. Auch hier werden sowohl wir als auch Hayabusa Serien finden müssen, die etwas Neues erzählen, die sich unterscheiden und trotzdem Qualität bieten. Ich denke, das werden die Leser honorieren. Deswegen freue ich mich über die Gründung von Hayabusa.
MP: Wenn wir gerade schon bei Boys Love sind: Wie ist der aktuelle Trend dahingehend? Wächst das Segment auch weiterhin in Deutschland?
Michael: Aktuell wächst das Segment weiter und wie oben beschrieben, vermute ich, das wird sich so fortsetzen. Aber: Boys Love wird weiterhin unterschätzt und steht nicht so im Rampenlicht, in Deutschland wie auch in Japan. Das hat den glücklichen Umstand zur Folge, dass Autoren hier auch mehr ausprobieren, als sie es vielleicht in anderen Genres tun. Das macht Boys Love zu einem Genre mit mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Und das wiederum trägt zu seinem Erfolg bei.
MP: Daran ebenfalls anschließend: Plant ihr eventuell in Zukunft ebenfalls Webtoons – gleich welchen Genres – auf Deutsch zu veröffentlichen?
Michael: Wir sind in jedem Fall offen für Webtoons. Wir testen gerade unsere noch recht jungen Beziehungen zu Webtoon-Anbietern, um hier den Fans in Zukunft etwas zu bieten. Aber auch bei Webtoons gilt, eine Geschichte muss uns komplett inhaltlich überzeugen, bevor sie einen Platz in unserem Programm findet.
MP: Bezüglich Nachdrucke habt ihr früher viel Kritik geerntet – seit einiger Zeit steuert ihr dieser effektiv entgegen. Für einen leicht erhöhten Kaufpreis habt ihr viele Titel wieder verfügbar gemacht. Sind diese Mini-Auflagen einmalig oder produziert ihr diese bei genug Interesse auch mehrmals? Dürfen sich Fans die Hoffnung machen, dass ihr nach und nach alle vergriffenen Bände laufender Reihen nachproduziert oder woran macht ihr fest, ob es einen Nachdruck mit erhöhtem Kaufpreis gibt?
Michael: Wir werden diese Politik in Zukunft beibehalten und Miniauflagen drucken, um vergriffene Bände wieder lieferbar zu machen. Wir sind selbst Fans und können daher den Frust durchaus nachvollziehen, den man fühlt, wenn ein Nachfolgeband nicht mehr zu kaufen ist.
Aber es gibt Grenzen für diese Nachdrucke und die sind leider finanzieller Natur. Wir haben eine Verantwortung unserem Arbeitgeber gegenüber und die lautet, bei aller Liebe zu Manga auch vernünftig zu wirtschaften. Deswegen werden wir auch weiterhin nicht alles anbieten können, was nachgefragt wird. Aber wir versuchen diese Lücke so klein wie möglich zu halten.
MP: Zum Thema Nachdrucke gab es inzwischen ja bereits eine Petition von engagierten Inu Yasha-Fans. Habt ihr dazu bereits positive Nachrichten oder ist ein Nachdruck bislang leider noch immer nicht im Rahmen des Möglichen?
Michael: Inu Yasha ist ein Beispiel für einen Nachdruck, den wir leider aktuell nicht stemmen können. Übrigens: Wer sich im Detail dafür interessiert, kann gerne auf unseren Social Media-Seiten einmal schauen. Wir haben uns dazu dort sehr ausführlich geäußert.
MP: Mit Mila Superstar habt ihr etwas ganz Besonderes lizenziert, wir freuen uns bereits sehr auf die Veröffentlichung. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, gerade diesen Titel für den deutschsprachigen Markt einzukaufen, welche Argumente haben euch intern überzeugt, dem Manga eine Chance zu geben? Darf man sich in Zukunft auf weitere Klassiker-Perlen freuen?
Michael: Wir wussten bereits eine ganze Weile, dass wir einen echten Klassiker lizenzieren wollen. Der deutsche Manga-Markt ist ja verglichen mit dem japanischen noch recht jung und es warten noch so viele Schätze auf ihre Neuentdeckung. Wir waren hier vielleicht etwas mutiger als andere Verlage und haben uns weiter in der Manga-Historie zurückgewagt als sonst üblich.
Bei der Wahl von Mila haben außerdem der Zufall und ein guter ehemaliger Kollege eine Rolle gespielt. Der hat nämlich mal vor Jahren eine Liste mit Manga-Klassikern angelegt. Das Konzept passte damals noch nicht so recht zum Markt und wurde verworfen. Wir haben diese Liste letztes Jahr durch Zufall in einem alten Ordner gefunden und in einer Redaktionsrunde gemeinsam geöffnet. Einer der ersten Einträge war Mila Superstar. Ich habe selten so viel spontanes Gekreische beim Öffnen einer Powerpoint-Präsentation erlebt. Danach war schnell klar, dass wir den machen wollen.
MP: Vor wenigen Wochen habt ihr zudem die Luxury Edition zu No. 6 angekündigt – auch ist bekannt, dass sich der Manga gut bei euch verkauft hat. Fans fragen – auch uns – daher immer wieder, ob denn auch die Original-Romane zu uns kommen werden. Wie schätzt ihr das aktuell ein?
Michael: Auch wenn der Roman-Markt sich ebenfalls zum Positiven hin entwickelt, halte ich die Zeit für noch nicht reif für eine längere Roman-Reihe. Zu wenig Fans kaufen Romane und die Kosten für eine Romanübersetzung sind leider so hoch, dass wir eine 9-bändige Romanserie zu No. 6 aktuell nicht veröffentlichen würden. Aber Fans können das natürlich beeinflussen, indem sie zum Beispiel unseren im Juni erschienenen Roman Parasite in Love kaufen (*zwinker*). Wenn die Verkaufszahlen steigen, wagen wir uns auch an längere Romanserien.
MP: Nachdem wir jetzt schon über zwei unserer persönlichen Highlights aus dem neuen Programm gesprochen haben: Welche kommenden Titel sind bei euch in der Redaktion die Highlights?
Michael: Ich persönlich freue mich im Herbstprogramm schon sehr auf Links, 5 Centimeters per Second und Crimson Sisters. Links, weil es von der Autorin der BL-Reihe Given ist, einer meiner absoluten Lieblingsreihen. 5 Centimeters per Second, weil dessen Autor Makoto Shinkai ein wunderbarer Erzähler von Liebesgeschichten ist – mit 5 Sekunden pro Sekunde fällt eine Kirschblüte zu Boden, romantisch, oder? – und Crimson Sisters, weil ich diese Mischung aus Van Helsing, viel Action und ein bisschen Girls Love total feiere.
MP: Fast die Hälfte von 2021 ist bereits rum und wir wissen, dass Verleger immer eine gewisse Zeit in die Zukunft planen. Wir fragen uns daher, was sind eure Pläne für das restliche wie kommende Jahr?
Michael: Wir wollen das restliche Jahr nutzen, um noch ein bisschen zu streamen. Vielleicht hat der ein oder andere von euch unseren ersten Stream zur Leipziger Buchmesse entdeckt. (Falls nicht, ist der noch auf unserer YouTube- und auf unserer Twitch-Seite zu finden.) Das hat richtig Spaß gemacht und wir wollen das definitiv wiederholen.
Dann werden wir auch noch ein paar deutschen Zeichnern die Chance bieten, sich bei uns zu präsentieren. Dazu kann ich noch nicht zu viel verraten, aber haltet die Augen offen.
2022 wird dann im Zeichen von Conan, Band 100 stehen. Der Jubiläumsband wird nach aller Voraussicht nächstes Jahr bei uns erscheinen und wir haben uns ein paar Überraschungen darum herum ausgedacht. Für Conan-Fans wird das ein Festjahr.
MP: Hast du zum Abschluss noch etwas, das du unseren Lesern gerne mitgeben möchtest?
Michael: Ja, ein Zitat aus Chainsaw Man: „Wi hi h! Wi hi hi! Uwi hi hi!“ (Denji, als er zum ersten Mal ein Bad nimmt.)
MP: Vielen Dank für das Interview.
Michael: Bitte, gerne.