Eher kein Alpha-Titel: Drowning Into the Night, Band 01
Omegaverse-Titel erfreuen sich auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit. So ist es wenig verwunderlich, dass TOKYOPOP nun nach dem Erfolg von Keri Kusabias Unser unstillbares Verlangen eine weitere solche Reihe publiziert. Die Rede ist von Drowning Into the Night, dem Boys-Love-Neustart aus dem Monat September. Warum dieser allerdings bislang nur bedingt lesenswert ist, berichten wir im Folgenden.
Ein Grund, warum du diesen Manga potenziell noch nicht erworben hast, ist sicherlich der vergleichsweise hohe Preis von 7,99 Euro (D). Es ist ehrlicherweise nicht mit der Ausstattung des Titels zu erklären, weswegen sich dieser Preis ergibt. So verfügt der vorliegende Band weder über eine erhöhte Seitenzahl noch über etwaige Farbseiten, Cover-Veredelungen oder andere Beigaben.
Absolute Fans des Omegaverse-Settings dürften dennoch bereit sein, den genannten finanziellen Beitrag zu entrichten, da diese Art von Geschichten weiterhin selten im deutschsprachigen Raum bleiben. Insbesondere der Fakt, dass die Reihe insgesamt vier Bände umfasst könnte auf Wohlgefallen stoßen. Lediglich der Abschlussband hat eine erhöhte Gesamtseitenanzahl.
Hierzulande ist der Auftaktband offiziell seit dem 1. September erhältlich. Dieser trägt den Beititel side α und führt in das Geschehen ein. Im weiteren Verlauf erklären wir die grundlegende Handlung, informieren über die Güte der Zeichnungen und verlieren einige Worte zum Storytelling der Mangaka Anna Takamura. Daraus resümieren wir abschließend ein prägnantes Fazit.
Handlung
Die Welt, in der das Geschehen angesiedelt ist, unterscheidet nicht nur zwischen weiblich und männlich, sondern teilt die Menschen zugleich in drei Kategorien ein. An der Spitze stehen die Alphas. Diese sind die führenden Mitglieder einer Gesellschaft, gelten als unnahbar und sind im Geschäftlichen überaus erfolgreich. Auch unter dieser Elite herrscht allerdings ein gewisser Leistungsdruck wie ausgeprägtes Konkurrenzdenken.
Darunter platzieren sich die Betas. Das ist die Klasse von Menschen, die zahlenmäßig am weitesten verbreitet ist. Es sind die Normalos der Bevölkerung, die froh sind, nicht völlig diskriminiert zu werden, aber dennoch häufig Benachteiligungen erfahren. Sie blicken neidisch auf die Alphas. Am Ende der Hierarchie stehen die sogenannten Omegas, abwertend auch als Fortpflanzungsmachinen bezeichnet.
Unabhängig vom Geschlecht sind diese als einzige Mitglieder der Gesellschaft befähigt, Nachwuchs zu gebären. Trotz dieser wichtigen Aufgabe sind die Omegas täglich mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Um diesen Konsequenzen zu entgehen, präsentiert sich Yukishiro als aufstrebende Führungskraft eines angesehenen Unternehmens. Dort vermutet bislang niemand, dass er eigentlich ein Omega ist.
ELITE Ω WA YORU NI OBORETE side α ©Anna Takamura 2017 / KADOKAWA CORPORATION, Tokyo. © TOKYOPOP GmbH, Hamburg 2020
Dies sollte auch so bleiben, doch mit dem Erscheinen von Vizepräsident Hiiragi betritt ein Alpha der amerikanischen Unternehmenstochter das Geschehen. Er erkennt sofort, dass Yukishiro nur eine Tarnung innehat. Bereits auf den ersten Blick hat er beschlossen, seinen erfolgreichen Chef als Partner zu nehmen. Als dieser jedoch bemerkt, dass dieser noch eine gewisse Bindung zu einem Beta hat, verkompliziert sich die Beziehung. Somit nimmt dieses Dreieck-Verhältnis seinen Lauf …
Eine mit dem Omegaverse bereits vertraute Leserschaft könnte hier unter Umständen den ausbaufähigen Ideenreichtum anmerken. So sind die geschilderten Ereignisse der Geschichte durchaus typische Bestandteile ähnlicher Erzählungen. Die Handlung kann gegenwärtig somit leider nur sehr bedingt überzeugen. Der Zwist zwischen Beta und Alpha um Yukishiro könnte hingegen die Fortsetzungen interessant erscheinen lassen. Somit bleibt abzuwarten, inwiefern der nächste Band dahingehend die Erzählung ausführt.
Zeichenstil
Zumindest in visueller Hinsicht könnte der Manga den oder die Einzelne*n mehr überzeugen. So sind die Zeichnungen von Mangaka Anna Takamura durchaus vorzeigbar. Zwar bestechen die Charakterdesigns nur geringfügig, doch ist die Inszenierung der Figuren gelungen. Insbesondere die Darstellungen innerhalb großer Panels zeigen das sicherlich versierte Handwerk der Künstlerin.
In diesen präsentiert sie durch eine vergrößerte Abbildung vor allem die Signifikanz von Kontrasten. Diese betonen sowohl Haar als auch Gesicht und Kleidung auf besondere Art und Weise. Zudem gefällt die relative hohe Anzahl solcher Zeichnungen sehr. Allerdings beinhaltet der erste Band auch zunehmend mehr Chibi-Abbildungen. Diese hätte es eigentlich nicht benötigt, sind aber verkraftbar.
Ebenso ist relativ positiv über die Hintergründe der einzelnen Seiten sowie deren Gestaltung zu sprechen. Diese ist zwar nicht unbedingt aufwendig, jedoch über das Maß der Zweckdienlichkeit hinaus ausgearbeitet. Mit dunklen Flächen akzentuiert Takamura das Geschehen zusätzlich. Die wenigen anzüglichen Szenen sind sehr kurz und nur äußert wenig explizit dargestellt – primäre Geschlechtsorgane sind zensiert. Insgesamt ist somit zusammenzufassen, dass der Inhalt mit deren hier erläuterten Visualisierung angenehm harmoniert.
Storytelling
Der Inhalt erscheint zunächst in seiner Erzählweise eher bescheiden, wenngleich nicht ungenügend. Im fünften Kapitel wird allerdings der Konflikt zwischen dem Beta-Freund des Protagonisten Yukishiro und dem als charismatisch bezeichneten Alpha Hiiragi vertieft. Der angewandte Cliffhanger des Auftaktes erweckt zumindest Neugier nach dem weiteren Verlauf der Handlung.
Bekannte Elemente des Omegaverse-Settings verpackt die Autorin und Zeichnerin Takamura-sensei ebenfalls in ihrer Fiktion. Neben der möglichen Schwangerschaft von Männern, beinhaltet die erschaffene Kulisse zudem ein als Collar bezeichnetes Halsband sowie zwei unterschiedliche Medikamente. Über deren Zweck berichtet die Mangaka ebenfalls im Band – auf separaten Seiten wie auch innerhalb der Handlung. Insofern ergeben sich keine Schwierigkeiten beim Verständnis von der Situation für Einsteiger in das beschriebene Segment.
Wenngleich also Raum für Verbesserung bleibt, langweilt der Titel zumindest nicht. Perspektivisch ist insbesondere die Sichtweise des erwähnten Beta-Charakters interessant. Außerdem ist anerkennend zu bemerken, dass auch Frauen eine angemessene Rolle in dem Werk zukommt. So behandelt eine Side-Story die Erlebnisse einer Omega-Kollegin aus der Firma von Yukishiro.
Fazit
Somit ist folgendes Fazit zu ziehen: Der Manga beziehungsweise dessen Handlung kann bislang nur begrenzt überzeugen. Zwar ist die Geschichte in ihrer Umsetzung insgesamt durchwachsen, doch ist eine Schwäche hinsichtlich fehlender Innovation zu bemerken. Diese ist darüber hinaus mit einem vergleichsweise hohen Kaufpreis der Reihe pro Band zu erwerben. Dafür wird deutschsprachigen Leserschaft leider kein Mehrwert in Form einer besonderen Aufmachung an die Hand gegeben.
Insofern ist der Boys-Love-Manga nur bedingungslosen Fans des Genres der sich liebenden oder zumindest miteinander agierenden Männer zu empfehlen. Wenn eine besonderes Lesevergnügen oder ideenreiche Vorgänge gewünscht sind, kann der Auftakt in die insgesamt vier Bücher umfassende Serie nicht weiterempfohlen werden. Möglicherweise kann der nächste Band überzeugen – dies bleibt abzuwarten.
Jene Fortsetzung ist gegenwärtig für Anfang November, also in rund zwei Monaten, terminiert. Eine separierte Leseprobe zu dem ab 18 Jahre empfohlenen Titel liegt gegenwärtig nicht vor. Diesbezüglich informieren wir, wenn eine kostenlose Preview auf der Webseite zur Verfügung steht. Aktuell ist lediglich der Auszug aus dem neuen Yomimono-Magazin ab hier verfügbar. Blättern und Lesen in japanischer Leserichtung.
Update: Mittlerweile rechte man eine offizielle Leseprobe auf der Verlags-Webseite zu dem Manga von Takamura nach.
Hinsichtlich der Publikation ist außerdem anzumerken, dass der Klappentext der Geschichte die Klassen der Menschen ausschreibt. Alpha und Omega werden als vollständige Wörter in die Beschreibung eingefasst. Im Manga selbst jedoch ersetzt man die Begriffe Alpha, Beta sowie Omega durch die griechischen Buchstaben α, β und Ω – dies liest sich etwas holprig und erscheint insbesondere im Plural ungewohnt.
Abschließend bedankt sich unsere Redaktion zudem herzlich beim Team von TOKYOPOP für die freundliche Bereitstellung eines Belegexemplars, das diesen umfangreichen Artikel für unsere Leserschaft ermöglicht.