Interview mit altraverse – Erstes Halbjahr, Eigenproduktionen und Zukunftsaussichten
Im Rahmen unseres Jubiläums haben wir uns Verlagsleiter Joachim Kaps von altraverse geschnappt und mit ihm über die aktuelle Marktentwicklung, den Erfolg im ersten Halbjahr und ein wenig über Pläne zur Zukunft des Verlags gesprochen.
Nachfolgend werden wir Joachim mit Jo und uns selbst mit MP abkürzen. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview.
MP: Hallo Jo und vielen Dank, dass du dir Zeit für das Interview mit uns nimmst.
Jo: Hallo – und wie immer sehr gerne. Im Moment ist bei uns zwar wirklich unheimlich viel zu tun, aber für Manga Passion findet sich natürlich auch dann ein Slot. ?
MP: Wir hatten zuletzt Ende 2020 über den deutschen Markt gesprochen. Wie sieht es denn 2021 für den Manga-Markt bislang aus?
Jo: Besser als je zuvor. Media Control vermeldet für die Warengruppe ein sensationelles Plus von 75 % zum Vorjahr – und das in einer Zeit, in der der Buchhandel insgesamt nur knapp 5 % zugelegt hat. Einen so krassen Schub nach vorne hat der Markt lange nicht erlebt.
MP: Das erste Halbjahr ist nun bald vorbei. Wie erfolgreich lief dieses für euch, vor allem im Vergleich zum Vorjahr?
Jo: Noch ein bisschen besser als der Marktdurchschnitt. Wir haben unseren Umsatz verdoppelt. Wenn mir das vor einem Jahr jemand gesagt hätte, hätte ich kein Wort davon geglaubt. An der Stelle ein dickes Dankeschön an all unsere Leser!
MP: Erst letztens hattet ihr einen umfangreichen Stream zum Thema Light Novel. Plant ihr, dieses Segment in Zukunft auch weiterhin auszubauen? Einige Fans wünschen sich ja beispielsweise schon sehnsüchtig die Arifureta-Light-Novel, da ihr den aktuellen Stand des Mangas nun erreicht habt.
Jo: Im Stream haben die Kollegen das Problem ja schon erörtert. Geht man nach den Wunschlisten im Netz, müssten Light Novels Manga schon das Fürchten lehren. Die aktuellen Verkaufszahlen sagen aber etwas anderes. Trotzdem wollen wir das Feld langsam weiter entwickeln und haben dazu ja vor kurzem Virgin Road angekündigt. Aber das wird nur Schritt für Schritt gehen, weil wir Light Novels im Moment noch immer subventionieren, auch wenn wir das gerne tun, weil wir an ihre Zukunft glauben. Aber wir freuen uns, dass die Kollegen von TOKYOPOP nun dabei helfen, wieder stärker für Light Novels zu trommeln. Vielleicht lässt sich gemeinsam ja mehr nach vorne entwickeln.
MP: Ihr seid aktuell der Manga-Verlag, den man direkt vor Augen hat, wenn das Thema Webtoon beziehungsweise Manhwa fällt. Könntet ihr euch vorstellen, eure Titelauswahl auch auf andere Länder auszuweiten, wie beispielsweise China oder Frankreich?
Jo: Ja, das können wir sehr gut. Wir lieben gute Stoffe und uns ist herzlich egal, in welchem Land der Erde sie entstanden sind. Wir werden dazu schon in naher Zukunft auch etwas Konkretes ankündigen. Und bevor Gerüchte in die falsche Richtung gelenkt werden: Es wird dabei um Frankreich gehen.
MP: Dir liegen bekannterweise ja die deutschsprachigen Autoren besonders am Herzen. In einigen anderen Interviews, unter anderem dem Interview beim lieben Prouwn, hast du bereits angeteasert, dass du auch in diesem Bereich bereits mit neuen Künstlern im Gespräch bist. Hast du hierzu bereits ein paar neue Informationen für uns?
Jo: Hier müsst ihr euch leider noch ein klein wenig gedulden, weil ich meinem Team mal beweisen will, dass ich mich auch zurückhalten kann. Aber ich kann ein wenig anteasern: Wir haben eine großartige Künstlerin unter Vertrag genommen, die zuvor auch schon bei Egmont und Carlsen publiziert hat. Und sie war so nett, sich für uns ihr bislang bestes Projekt aufzuheben. Sie hat bereits vier Kapitel des Buches fertiggestellt. Und jedes einzelne ist ein echter Meilenstein. Sie fügt sich also perfekt in die Riege unserer Hausautorinnen ein, die ich allesamt bewundere und verehre. In der nächsten Ausgabe von Fantastisch gute Manga lüften wir das Geheimnis.
MP: Was einige Fans bestimmt interessieren dürfte: Wie entscheidet ihr, welcher Titel eine Limited Edition oder einen Schuber erhalten soll?
Jo: Wir müssen uns vorstellen können, dass es eine echte Fan-Klientel für ein Thema gibt. Und wir müssen die Rechte für solche Sondereditionen bekommen können, die ja immer in den Grenzbereich zu Merchandise gehen. Es hängt also auch ein wenig von unseren Lizenzpartnern ab, welche Projekte wir so feiern dürfen.
MP: Wie zufrieden seid ihr mit euren Doppelpack-Ausgaben und Explorer-Editionen? Darf man in Zukunft auch hier mehr erwarten?
Jo: Mit den meisten sind wir sehr zufrieden. Aber der Double Pack zu Kakegurui schlägt alle Rekorde in unserem Katalog. Wir haben inzwischen mehr Exemplare von Band 1 über den Double Pack verkauft als durch die reguläre Ausgabe. Die Packs erfüllen also ihre Funktion, noch mehr Leser auf eine Serie aufmerksam zu machen. In Kürze geht es hier ja mit Die Legende von Azfareo und Lieb mich noch, bevor du stirbst weiter. Weitere sind in Planung.
MP: Ihr schreckt bekannterweise ja selten davor zurück, einen für euch interessanten Titel auf Deutsch zu veröffentlichen. Würden für euch dabei auch Titel in Frage kommen, die aufgrund ihrer Thematik teilweise kritisch betrachtet werden, wie Tokyo Revengers, Don’t Toy with Me, Miss Nagatoro oder Koikimo?
Jo: Das kommt wirklich sehr auf die Thematik an. Wirklich kontroverse Themen schrecken wir dann nicht, wenn sie nicht mit unserem Weltbild kollidieren. D.h. unter anderem, dass wir keine Angst vor Sexualität oder Gewalt in Manga haben, solange diese Aspekte erzählerisch vernünftig eingebunden sind. Sensationen nur um der Sensation willen würden wir uns eher verkneifen.
MP: Hast du einen kleinen Zukunftsausblick für uns, was Fans im zweiten Halbjahr noch erwarten dürfen?
Jo: Na, zunächst einmal geben wir ja jetzt in Sachen Webtoon ziemlich Gas, ohne dabei unsere japanischen Themen zu vernachlässigen. Damit wir das schaffen können, haben wir gerade unsere Struktur angepasst und wollen sie noch weiter ausbauen. Gwyneth Minte und Johannes Marschallek werden den Verlag jetzt gemeinsam mit mir Richtung Zukunft lenken, was mich extrem freut.
Neben den Aktivitäten bei den Büchern wollen wir im Bereich Merchandise mehr Serien aus Japan mit ins Boot holen, nachdem unsere bisherigen Tests wirklich sehr zufriedenstellend verlaufen sind. Und dann steht zum Jahreswechsel unter anderem der Start einer meiner neuen Lieblingsserien an. Kikeriki! (Ja, das war ein Hinweis. Ich kann mich halt nicht immer zurückhalten.)
MP: Hast du zum Abschluss noch ein paar Worte an unsere Leser?
Jo: Ja, ich möchte einen Wunsch an alle da draußen loswerden: Ich wünsche mir sehr, dass die Manga-Community so offen und tolerant, so bunt und manchmal schräg bleibt, wie sie es bislang immer gewesen ist. Auf Social Media drehen im Moment so viel Hass und schlechte Gefühle Kapriolen, dass mir manchmal wirklich übel davon wird. Ich hoffe sehr, dass unsere Szene davon nicht infiziert wird. Für mich war Manga mit seiner kulturübergreifenden Energie und seiner Offenheit für so viele ungewöhnliche Themen immer ein Bollwerk des Guten in einer nicht immer guten Welt. Lasst uns das nicht verlieren und aktiv verteidigen!
MP: Vielen Dank für das Interview.
Jo: Ich danke euch!