Ersteindruck zu Shigeru Mizukis „Kitaro“, Band 01 + 02
Zuletzt haben wir mit Shigeru Mizuki – Mangaka den dritten und zugleich finalen Doppelband von Mizukis selbst gezeichneter Autobiografie in den Mittelpunkt einer entsprechenden Besprechung gestellt. Bereits in dieser fand mit Kitaro das Prestige-Werk des Zeichners wiederholt Erwähnung – nun ist eben jene Reihe ebenfalls auf Deutsch gestartet.
Die ersten beiden Bände sind Anfang September zeitgleich bei Reprodukt erschienen. Der Release ist auf 13 Bände ausgelegt, dabei orientiert sich der Berliner Herausgeber an der entsprechenden Ausgabe von Kodansha. Im Gegensatz zur spanischen und US-amerikanischen Ausgabe enthält das verwendete Bildmaterial Graustufen.
Darüber hinaus wartet die deutschsprachige Ausgabe mit einem fortlaufenden Buchrückenmotiv auf, das sich über die gesamte Reihe erstrecken wird. Beide Bände sind im Standard-Taschenbuchformat und zählen jeweils einen Gesamtumfang von rund 190 Seiten. Für das Front- und Backcover wurde bei der Produktion merklich dickere Pappe verwendet, wodurch sich der Manga überraschend wertig anfühlt. Die Coverinnenseiten sind zudem mit einem schlichten Muster in Farbe bedruckt. Der Kitaro-Schriftzug ist auf der gesamten Außenseite mit Spotlack veredelt.
Besonderes Lob ist in diesem Sinne für den sehr günstigen Preis von je 6,90 € auszusprechen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein kleiner Herausgeber vergleichbare Titel qualitativ übertrifft und zudem günstiger ist. Verleger Dirk Rehm merkte im Interview allerdings bereits an, dass nur die ersten drei Bände garantiert so kostengünstig erscheinen – danach werden die Kosten unter Berücksichtigung des allgemeinen Kaufinteresses gegebenenfalls neu kalkuliert. Die Unterstützung der Leserschaft ist also entscheidend.
Inhaltsbeschreibung
Der titelgebende Protagonist des Mangas ist Kitaro, ein mächtiges Yokai-Wesen in der Erscheinung eines Kindes. Obwohl es sein kleiner Körper auf den ersten Blick nicht vermuten ließe, verfügt er über große Kräfte. Nachdem im ersten Band seine Geburt behandelt wird, ist der weitere Verlauf episodisch angelegt.
Kitaro reist gemeinsam mit seinem Vater, der in die Form eines Augapfels auf zwei Beinen gebannt ist, umher. Dabei erreichen ihn immer wieder Bitten um Rat und Beistand. Auch wenn er zunächst nicht immer ernst genommen wird, widmet er sich dem Problem. Wer ihn um Hilfe bittet, dem wird geholfen. Wer den Yokai-Jungen jedoch verärgert, muss mit Konsequenzen rechnen.
Denn Kitaro ist mitnichten ein lauer Superheld oder Philanthrop. Obwohl er gewillt ist, den Menschen bei ihren Angelegenheiten in Bezug auf die spirituelle Welt zu helfen, ist ihm Anstand wichtig. Wer ohne Erlaubnis seine Unterkunft betritt, muss zum Beispiel damit rechnen, in die Hölle gesogen zu werden. Dank seiner besonderen Kräfte kann der Geisterjunge zwischen dem Diesseits und Jenseits scheinbar nach Belieben wandern. Sein gutes Gespür hilft ihm bei der Bewältigung aller Gefahren und Schwierigkeiten.
Der Manga setzt sich aus verschiedenen Kurzgeschichten zusammen, die in der Regel jeweils ein Kapitel umfassen – aber auch ein Zwei- und Fünfteiler sind unter den in den ersten beiden Bänden enthaltenen Erzählungen.
Die enthaltenen Episoden wurden ursprünglich im Weekly Shounen Magazine von Kodansha abgedruckt. Erst später wurden die erstmals zwischen August 1965 und Januar 1969 erschienenen Kapitel neu arrangiert. Dies meint, dass die Kapitel nicht chronologisch nach Original-Release angeordnet sind. Am Ende der jeweiligen Bände ist eine Übersicht, die aufzeigt, wann und wo welches Kapitel ursprünglich veröffentlicht wurde.
Inhaltlich ist dem Manga nichts anzukreiden – sowohl das Setting, obgleich es mehr als 50 Jahre alt ist, als auch die entsprechende Umsetzung sind auch noch in heutiger Zeit ergötzend. Die episodische Erzählstruktur ermöglich einen einfachen Einstieg in das Universum rund um den Yokai-Jungen und lädt aufgrund des kurzweiligen Charakters der einzelnen Kapitel fortlaufend dazu ein, weiterzulesen.
Der Mangaka hat es sich nicht nehmen lassen, verschiedene Querverweise einzubringen. Während einige davon sicherlich überraschen und daher belustigen, hat der Zeichner auch Botschaften mit ernstem Hintergrund eingebracht. Er, der in den Vierzigern auf Papua-Neuguinea gekämpft hat, kritisiert beispielsweise den Vietnamkrieg – bezeichnet ihn schon neun Jahre vor offizieller Beendigung als „sinnlos“. Shigeru Mizuki bringt auch in diesem Werk seine Erfahrungswerte und Anschauungen, wenn auch deutlich subtiler als in Werken wie Auf in den Heldentod!, zur Geltung.
Visualisierung
Die Charakterdesigns sind simpel gehalten, aber klar voneinander zu unterscheiden. Die verschiedenen Yokai-Wesen sind sehr ansprechend und variantenreich verbildlicht. Wie für Manga aus den Sechzigern durchaus üblich, ist der Seitenaufbau stellenweise sehr kleinteilig – eine Seite von Kitaro umfasst vereinzelt auch mal bis zu zwölf kleine Panels.
Deutlich häufiger sind allerdings großformatige Illustrationen geboten die den Detailgrad von Mizukis Zeichnungen in besonderer Art und Weise geradezu kuratieren. Diese gewaltigen Abbildungen sind im Prinzip allesamt schon eigene Kunstwerke. Immer wieder kommt man nicht umhin, das Weiterlesen zu pausieren, um sich der Kleinteiligkeit des Bildaufbaus bewusst zu werden.
Um die düstere Grundstimmung des Mangas auch optisch aufzugreifen, setzte der Mangaka auf viele dunkle Flächen. Durch die eingepflegten Graustufen wirkt der Zeichenstil etwas moderner. Auch die ursprünglich kolorierten Passagen sind hierbei aber in Grau neu aufbereitet. Der zeitgeistliche Charme, der Liebhabern von Werken dieser Art mitunter besonders wichtig ist, bleibt im Wesentlichen glücklicherweise erhalten.
Zur Ansicht sind auf der Reprodukt-Webseite sowohl beim ersten als auch beim zweiten Band einige Innenseiten hinterlegt, welche als eine Art Leseprobe dienen. Viele Händler führen die Titel des Berliner Verlags bedauerlicher (noch) nicht, weswegen oftmals kein Reinblättern vor Ort möglich ist. Das Bestellen sollte auf Nachfrage aber immer möglich sein.
Fazit
Es war höchste Zeit, dass Shigeru Mizukis Kitaro auch auf Deutsch erscheint. Der kulturelle Wert hinter dieser Reihe, die wohl Millionen von Japaner:innen geprägt und auch auf diverse popkulturelle Produktionen der Neuzeit inspirierend gewirkt hat, ist nicht messbar. Die Faszination hinter diese Reihe ist zwar zu beschreiben, aber viel eher sollte diese selbst erfahren werden.
Die Geschichten sind episodisch gefasst, es gibt im Prinzip keine komplexe Handlung – dafür verschiedene Querverweise, auch auf die Monsterwesen Europas. Damit eignet sich der Manga, auch wegen der moderaten Grusel-Elemente, auch für ein junges Publikum. Die Bebilderung wirkt nicht angestaubt, der Zeichenstil Kitaros ist durchaus massentauglicher als andere Werke Mizukis.
Unserer Meinung nach sollte sich nicht gescheut werden, mindestens einmal in diese geradezu legändere Reihe reinzuschauen. Die deutschsprachige Ausgabe von Reprodukt ist da wahrlich die beste Möglichkeit; das Preis-Leistungs-Verhältnis ist schlichtweg fantastisch. Für 6,90 € – und das ist günstiger als die meisten Manga anderer, deutlich größerer Verlage – sind hier Taschenbücher im Standardformat- und - umfang geboten, die darüber hinaus mit bedruckten Innencovern, Spotlack-Veredelung und einem Buchrückenmotiv aufwarten.
Auch wenn sich dies, wie eingangs erläutert, möglicherweise nur als eine Art Einstiegspreis der ersten drei Bände herauskristallisieren wird, ist der Versuch, die Geschichte insbesondere für die jüngere Leserschaft so erschwinglich wie möglich anzubieten, mehr als löblich – und folglich auch absolut unterstützenswert. Band 03 folgt voraussichtlich im November.
Der Anhang ist aus unserer Sicht allerdings noch revisionsbedürftig. Die Behauptung, die Kapitel seien erstmals im Bessatsu Shounen Magazine veröffentlicht worden, dürfte unzutreffend sein – so wurde jenes Manga-Magazin in Japan doch erst 2009 ins Leben gerufen.
Abschließend möchten wir Reprodukt besonderen Dank für das unverbindliche Bereitstellen von Belegexemplaren aussprechen.