Interview mit Egmont Manga Programmleiter Michael Cheng – über 2021, Papierknappheit und das Programm für 2022
Passend zum Jahresabschluss durften wir mit Egmont-Manga-Programmleiter Michael Cheng ein Interview führen und ihn unter anderem zu den bestverkauften Titeln 2021, dem Light-Novel-Segment, Messen 2022 sowie über die aktuelle Papierknappheit auf dem Markt und eventuelle Konsequenzen für den Endkunden befragen.
Nachfolgend kürzen wir uns mit MP ab. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview!
MP: Hallo Michael und danke, dass du dir erneut die Zeit für uns nimmst!
Michael: Klaro, gerne.
MP: Fangen wir ganz allgemein an: Wie lief 2021 für euch? Hättet ihr im Nachhinein gerne etwas anders gemacht oder seid ihr soweit zufrieden?
Michael: 2021 war für Egmont Manga und den gesamten Markt das beste Jahr seit langer Zeit. Unsere Entwicklung war schon länger positiv, aber 2021 hat dem Ganzen wirklich die Krone aufgesetzt. Es sind so viele neue Leser auf Manga gestoßen, neue und alte Serien hat das extrem gepusht. Im Nachhinein hätte ich gerne Anfang des Jahres richtig viel Papier bestellt, aber davon abgesehen sind wir ziemlich zufrieden und genki.
MP: Was waren eure meistverkauften Serien?
Michael: Chainsaw Man hat eingeschlagen wie eine Bombe. Das ist bekannt. Aber auch unsere dieses Jahr gestarteten Serien Urataro und Ein Gefühl namens Liebe finden sich in unseren Toplisten. Daneben Klassiker wie Detektiv Conan, Given und your name.
MP: Insbesondere eure Boys-Love-Titel kommen bekanntlich sehr gut an. Könnt ihr hier im Speziellen sagen, welche Titel besonders gut gelaufen sind? Kommen eher Reihen oder Einzelbände bei den Fans besser an?
Michael: Sowohl als auch. Given ist wohl die beliebteste Boys-Love-Reihe am Markt aktuell, auch Weißer Drache von Meguru Hinohara ist super angelaufen. Allerdings haben sich auch wieder Einzelbände – besonders Sub.Dom.Love und Our Dedication – sehr gut verkauft. Reihen sind vielleicht etwas stärker im Kommen als noch vor ein paar Jahren, gleichzeitig werden in Japan weiterhin echt viele gute Oneshots publiziert und erfreuen sich auch hier weiterhin großer Beliebtheit.
MP: Und im direkten Gegensatz dazu: Welche eurer Reihen, unabhängig vom Genre, verdienen, deiner Meinung nach, mehr Aufmerksamkeit und warum?
Michael: My Broken Mariko ist sehr gut angelaufen und wir gehen bereits in den Nachdruck. Aber da der Band so wichtige Themen wie Missbrauch und Suizid behandelt, nenne ich den hier. Es kann nicht schaden, darüber noch mehr zu reden.
Ein bisschen unter dem Radar gelaufen ist Das Voynich Hotel. Die es gelesen haben, sind begeistert, aber die Serie verdient auf jeden Fall ein paar mehr Fans.
MP: 2022 steht Detektiv Conan ganz groß in eurem Programm. Wie ist bisher die Resonanz zu dem, was ihr zuletzt vorgestellt habt?
Michael: Wir arbeiten ja eng mit den Jungs von der deutschen Conan-Wiki-Seite zusammen – Grüße an dieser Stelle. Deswegen können wir sagen: Wir haben nicht nur die breite Masse der Conan-Fans, sondern auch die richtigen Conan-Experten von unserem Conan-Programm begeistern können. Viele Leute freuen sich auf Yaiba, das fette Conan-Artbook und natürlich die Sonderausgabe zu Band 100. Wir hoffen, dass wir auch bald Details zu letzterem bekannt geben können, ein bisschen Zeit brauchen wir dafür allerdings noch.
MP: Unter anderem habt ihr mit Yaiba eine ältere Serie des Detektiv Conan-Mangakas Gosho Aoyama angekündigt. Was hat euch gerade zu dieser Lizenz, und nicht zum Beispiel zu einem der verschiedenen Spin-offs von Detektiv Conan, bewegt? Wo siehst du persönlich die Stärken von Yaiba?
Michael: Zuallererst inhaltlich. Yaiba ist einfach verdammt lustig und ziemlich actionreich erzählt. Man merkt hier, dass Aoyama-sensei ein richtig guter Plotter und Erzähler ist. Yaiba ist ja vom Setting weit weg von Conan, aber kann es qualitativ durchaus mit der bekannteren Serie aufnehmen.
Der Protagonist der Story, Yaiba, lebt mit seinem Papa mitten im Dschungel und träumt davon, ein großer Samurai zu werden. Im Schwertkampf macht ihm keiner was vor, aber vom Umgang mit Menschen hat er keine Ahnung. Durch ein paar Irrungen und Wirrungen landet er dann zusammen mit einem sehr lustig dreinblickenden Tiger im modernen Tokio und es folgt eine große Dosis Action und Humor. Der Manga selbst liest sich fast schon wie ein moderner Klassiker und die Zeichnungen unterstreichen (hehe) das noch – es sieht zeitlos gut aus, was Aoyama-sensei da auf Papier gebracht hat.
MP: Bei der A Mystery Collection - Tales by Otsuichi scheint es sich um eine Ausgabe zu handeln, die es so nur bei euch geben wird, stimmt das? Kannst du an dieser Stelle vielleicht auch schon etwas mehr über den Inhalt und die Aufmachung verraten, wird es gegebenenfalls – wie bei Fullmoon wo Sagashite – Zusatz-Inhalte geben?
Michael: Das stimmt, diese Ausgabe wird es exklusiv in Deutschland geben. Wir werden die Otsuichi-Geschichten Goth, Holiday, Can You Hear Me? und Kizu – die ja allesamt aktuell vergriffen sind – darin bündeln und als schöne Hardcover-Ausgabe veröffentlichen. Wir bekommen zwar leider keinen Zusatzcontent, aber die Geschichten werden redaktionell noch einmal überarbeitet. Wie üblich werden wir uns bei der Cover-Gestaltung noch was Besonderes überlegen und den Band angemessen veredeln.
MP: Zu Kyokai no RINNE habt ihr für August 2022 ein Dreier-Bundle angekündigt. Kann man davon ausgehen, dass auch die weiteren Bände auf diese Weise erscheinen?
Michael: Wir sind dazu noch in Verhandlungen mit dem Lizenzgeber, deswegen aktuell noch „kein Kommentar“.
MP: Mit Night Crying Crow startet im kommenden Frühjahr euer erster Webtoon-Titel. Ist das erstmal ein Testlauf oder habt ihr schon weitere Projekte dahingehend in Planung?
Michael: Wir sind richtig froh, dass wir mit Night Crying Crow einen top Webtoon im Programm haben, und klar, Webtoons sind für uns noch ein wenig Neuland. Daher heißt es auch, mit Night Crying Crow einige Erfahrungen zu sammeln, aber wir gucken auch nach Folgeprojekten. Es ist immer spannend, sich mit Geschichten aus einem anderen Kulturkreis zu beschäftigen, es gibt viele gute Webtoons, also bleiben wir am Ball, klar.
MP: Im Dezember ist mit Makoto Shinkais 5 Centimeters per Second gerade eine neue Novel bei euch herausgekommen. Nachdem ihr in den letzten Programmen zuletzt relativ regelmäßig einen Einzelband-Roman gebracht habt, wurde diesmal nichts in die Richtung angekündigt. Hat das besondere Gründe? Können Fans in Zukunft noch mit Novel-Veröffentlichungen bei Egmont Manga rechnen?
Michael: Ja, könnt ihr. Auch bei Novels gibt es einfach viele gute Geschichten, die wir gerne im Programm hätten. Aber wir halten uns nicht sklavisch an eine Novel pro Programm, manchmal finden wir keinen Titel, der gut ins Programm passen würden, manchmal werden wir uns auch mit den Lizenzgebern nicht einig. Deswegen kann es auch immer mal ein Programm ohne Novel geben. Aber wir werden weiterhin nach Novels Ausschau halten und auch veröffentlichen.
MP: Papierknappheit ist in der Branche aktuell ein heikles Thema. Wie schwer seid ihr betroffen und könnte es sein, dass ihr in Zukunft weitere Maßnahmen, wie vielleicht Preiserhöhungen, vornehmen müsst, um die steigenden Papierpreise zu kompensieren?
Michael: Wir haben das große Glück, dass wir bisher noch keine nennenswerte Anzahl an Novitäten verschieben mussten. Unsere Herstellung arbeitet hart daran, dass das auch so bleibt. Bei Nachdrucken hat es uns eher getroffen und ich vermute, dass wir auch im ersten Halbjahr 2022 weiterhin das eine oder andere zeitlich hintenanstellen müssen. Aktuell ist die Situation sehr verworren, es gibt viele Auf und Abs bei den Druckereien und den Papiermühlen. Deswegen lässt sich eure Frage nach den Preiserhöhungen auch nicht beantworten. Das nächste Jahr wird zeigen, ob diese erhöhten Materialkosten Bestand haben, und dann können wir auch abschätzen, ob wir das kompensieren müssen.
MP: Im nächsten Jahr sollen erstmals wieder die Manga-Comic-Con und die AnimagiC stattfinden. Plant ihr, dort ebenfalls mit einem eigenen Stand vertreten zu sein?
Michael: Ja, und ich drücke alle verfügbaren Daumen, dass das auch so bleibt. Endlich mal wieder nach Leipzig und zur Animagic zu fahren, wäre echt super!
MP: Hast du zum Abschluss noch ein paar Worte an unsere Leser?
Michael: Bleibt entspannt und wenn mal alles zu viel wird, lest 'ne gute Geschichte.
MP: Vielen Dank für das Interview.