Ersteindruck zur Sammelbandausgabe von Shuzo Oshimis „Die Blumen des Bösen - Aku no Hana“
Mit Die Blumen des Bösen - Aku no Hana feiert Mangaka Shuzo Oshimi sein lang erwartetes Deutschland-Debüt. Bei der Geschichte handelt es sich zugleich um das wohl bekannteste Werk des 1981 geborenen Japaners. Hierzulande erscheint die Reihe in einer Sammelbandausgabe. Den seit Anfang November erhältlichen Auftakt haben wir uns nun genauer angeschaut, unsere Eindrücke zu diesem legen wir im Folgenden dar.
Manga Cult verlegt die elf Bände der japanischen Original-Taschenbuchausgabe in insgesamt fünf dickeren Softcover-Bänden. Während der 20,00 € teure Auftakt als 3-in-1-Band angelegt ist, sind die vier noch folgenden Teile als Doppelbände zu je 15,00 € gefasst. Wie für das Ludwigsburger Label üblich, erscheint die Reihe im Großformat von 14 Zentimeter auf 21 Zentimeter.
In der vorliegenden Ausgabe sind weder Extras noch Farbseiten enthalten, auch die ursprünglichen Coverdesigns der einzelnen Bände sind nicht Teil des etwa 590 Seiten starken Gesamtumfangs des ersten Bandes. Zumindest die Randnotizen und die einzelnen Nachworte des Mangakas sind aber glücklicherweise abgedruckt.
Auch wenn das Buch mit vergleichsweise geringen 0,63 Kilogramm recht leicht ist, ist das Halten stellenweise unbequem – insbesondere, wenn man den gesamten Auftakt am Stück lesen möchte. Aufgrund der Dicke und des Formats ist also leider kein durchgängiger Lesekomfort geboten. Mit dem Wechsel auf die Doppelbände sollte sich dieser Umstand allerdings ab dem zweiten Band verflüchtigen.
Inhaltsbeschreibung
Mitten in der japanischen Provinz, in einem Ort, der an die reale Stadt Kiryu in der Gunma-Präfektur angelehnt ist, geht Takao zur Schule. In seiner Klasse gilt der Jugendliche als eigenbrötlerischer Bücherwurm. Stets hat er seine Nase in einem Buch, das eigentlich so gar nicht zu dem Geschmack eines Jungen in seinem Alter passt.
Insbesondere Charles Baudelaires Gedichtband Les Fleurs du Mal hat es dem introvertierten Mittelschüler angetan. Immer wieder blättert er begeistert durch die Sammlung des französischen Lyrikers, deren Erstauflage bei Erscheinen damals gerichtliche Prozesse wegen Verletzung der öffentlichen Moral zur Folge hatte. Auch Takao gerät durch das Verletzen gegen die in der Gesellschaft etablierte Moral schließlich in einen verhängnisvollen Strudel.
Es beginnt alles an dem Tag, an dem er nach Schulschluss noch einmal in das eigene Klassenzimmer zurückkehrt und dort einen liegengelassenen Turnbeutel findet. Darin ist die Sportkleidung von Nanako, dem Mädchen, in das er schon über ein Jahr heimlich verliebt ist. Nur schüchtern fasst der Pubertierende daher in den Beutel, doch plötzlich gerät er in Bedrängnis. Jemand scheint sich dem Raum zu nähern. In der aufkommenden Hektik versteckt Takao das Trikot und die Sporthose schnell unter seinem Hemd und eilt überstürzt – und ohne sich genauer umzuschauen – hinaus und nach Hause.
Am nächsten Tag herrscht große Aufregung in der Klasse, der Diebstahl ist natürlich nicht unbemerkt geblieben. Nanako weint – und Takao weiß genau, dass er daran Schuld ist. Auch wenn er das Ganze nun unmöglich rückgängig machen kann, ist er fest entschlossen, innerlich auf ewig für seine Verfehlung gegenüber seiner heimlichen Liebe zu büßen.
Allerdings wurde er am Vortag von seiner Klassenkameradin Sawa, einem mysteriösen Mädchen ohne Freunde, beobachtet. Zwar ist sie gewillt, Takao nicht zu verraten, jedoch möchte sie im Gegenzug dafür einen „Pakt“ mit ihm schließen. Sawas sadistische Ader stellt den Jugendlichen dabei vor ungeahnte Herausforderungen …
Visualisierung
Der Zeichenstil von Mangaka Shuzo Oshimi ist tendenziell realistisch angelegt. Natürlich sind die einzelnen Abbildungen klar als illustrativ zu erkennen, dennoch zeichnet sich die Bebilderung durch einen recht hohen Detailreichtum aus. Auf mangatypische Übertreibungen wird weitestgehend verzichtet. Verschiedene Rasterfolien verleihen der Optik Struktur und Schatteneffekte. Die dunklen Kontraste prägen die angespannte Atmosphäre darüber hinaus auf visueller Ebene.
Mit zahlreichen ausgestalteten Hintergründen und großflächigen Panels, die sich sporadisch auch mal über eine ganze (Doppel-)Seite erstrecken, setzt der Künstler immer wieder Highlights. Der Seitenaufbau wie auch das allgemeine Text-Bild-Verhältnis tragen dahingehend maßgeblich zum dynamischen Lesefluss der Geschichte bei.
Auf der offiziellen Verlagswebseite sind einige Innenseiten zur kostenlosen Ansicht als Leseprobe hinterlegt. Da der 3-in-1-Sammelband in der Regel nicht eingeschweißt ist, ist es alternativ aber auch möglich, im Handel vor Ort vorsichtig reinzublättern. Das bietet zudem den Vorteil, das Großformat der deutschsprachigen Veröffentlichung besser auf sich wirken lassen zu können.
Fazit
Im Wesentlichen ist Die Blumen des Bösen - Aku no Hana ein Coming-of-Age-Drama. Die Geschichte ist inhaltlich überraschend simpel gestrickt, das Geschehen lebt vor allem durch die spleenigen Figuren. Sowohl Protagonist Takao als auch seine beiden zuvor benannten Mitschülerinnen sind in ihrem Verhalten aber keineswegs berechenbar, mitunter fällt das Nachvollziehen einiger Handlungen schwer.
Mangaka Shuzo Oshimi erklärt in einer Randnotiz zum sechsten Kapitel der Reihe, dass er die Leserschaft zum Nachdenken anregen möchte. Ihm geht es darum, das Konzept von Andersartigkeit, von Perversion im weiteren Sinne, tiefer zu ergründen – beziehungsweise, so erklärt er, möchte er erreichen, dass das Publikum selbst über diesen Gegenstand reflektiert.
Das gelingt bedingt. Sicherlich sind die Figuren in ihrem Handeln und Denken sehr eigentümlich und regen dadurch zur Auseinandersetzung an. Gleichzeitig ist die Handlung allerdings von einer schnellen Erzähldynamik geprägt, zum Sinnieren zwischen den einzelnen Seiten ist kaum Raum. Dieser Prozess setzt maximal nach dem Lesen ein. Was sich aus dem Grübeln über die einzelnen Inhalte ergibt, ist jedoch sehr individuell und damit offen.
© 2010-2011 Shuzo Oshimi. / Kodansha Ltd.
Dagegen steht, aus unserer Sicht, fest, dass der erste Sammelband trotz der Dicke von rund 590 Seiten nur wenig Aufschluss über das noch Folgende gibt. Das Ziel des Mangas verbleibt über die erklärten Intentionen des japanischen Künstlers hinaus sehr vage. Bislang wird das Geschehen seitens der Leserschaft eher orientierungslos verfolgt, zu viel ist noch diffus. Der Inhalt ist aber mitnichten zu komplex, dem Verlauf lässt sich zu jeder Zeit gut folgen. Stimmungstechnisch, und in gewisser Weise auch visuell, erinnert der Titel gelegentlich an Inio Asano, wenn auch weniger düster. Entsprechend dürfte mit Die Blumen des Bösen - Aku no Hana eine ähnliche Zielgruppe adressiert werden.
Eine uneingeschränkte Empfehlung können wir zum aktuellen Zeitpunkt folglich aber nicht aussprechen, es fehlt noch an Informationen, die für eine adäquate Einschätzung unbedingt nötig sind. Möglicherweise ist dahingehend der zweite Sammelband aufschlussreicher. Der Doppelband sollte spätestens bis zum 13. Januar 2022 überall auf Deutsch erhältlich sein.
Abschließend bedanken wir uns bei Manga Cult für die unverbindliche Bereitstellung eines Belegexemplars.