Melancholische Kurzgeschichten: „Sunny“ von Taiyo Matsumoto – Band 05
Noch bevor in rund einem Monat der Abschlussband der Sunny-Reihe auf Deutsch erscheint, haben wir den fünften Band gelesen. Die Geschichte von Tekkon Kinkreet- und Ping Pong-Schöpfer Taiyo Matsumoto wusste uns zuletzt immer wieder zu begeistern. Ob sich dieser Trend Richtung Ende weiter fortsetzt, klären wir in diesem Artikel.
Carlsen Manga! gibt die Reihe als großformatige Klappenbroschur heraus. Band 05 ist zum 01. März in den Handel gekommen, in dem rund 210 Seiten starken Gesamtumfang sind sowohl zu Beginn als auch in der Buchmitte mehrere Farbseiten enthalten. Für die Produktion ist merklich hochwertiges Papier verwendet, darüber hinaus wartet der Titel mit einer Naturpapier-Buchaußenseite auf. Als Preis sind 16,00 € angesetzt, eine E-Book-Ausgabe wird zurzeit nicht angeboten.
Inhaltsbeschreibung
Im Star Kids leben mehrere Jungen und Mädchen auf engstem Raum in ärmlichen Verhältnissen zusammen. Die beschauliche Heimeinrichtung nimmt sich verlassener Kinder an, deren Eltern aus verschiedenen Gründen nicht – oder nicht mehr – in der Lage sind, die Fürsorge und Verantwortung für ihre Nachkommen zu übernehmen.
Das freundliche Personal des Kinderheims ist stets bemüht, den jungen Bewohnern trotz der unglücklichen Gegebenheiten ein gutes und würdiges Leben zu ermöglichen und sie zu aufrichtigen Erwachsenen zu erziehen. Doch sie alle sind mit tiefgreifenden Sorgen konfrontiert, die von den engagierten Erwachsenen trotz aller Bemühungen aus mehreren Gründen nicht vollumfänglich aufgelöst werden können und in Folge immer wieder auch der Grund für Reibereien sind.
SUNNY 5 by Taiyo MATSUMOTO © 2011 Taiyo MATSUMOTO / SHOGAKUKAN.
Im fünften Band werden wieder ausgewählte Figuren in den Mittelpunkt von jeweils einem Kapitel gestellt. Zu Beginn geht es um den weißhaarigen Haruo, der bereits bestens aus dem Vorangegangenen bekannt ist. Der Junge träumt davon, eines Tages wieder mit seiner Mutter zusammenleben zu können. Im Heim zu leben, frustriert ihn. Er ist ein Rebell und gerät ständig in Schwierigkeiten – so auch diesmal. Doch auch der ruhige Sei, der ebenfalls seine Mutter vermisst, macht eine gefährliche Dummheit …
Darüber hinaus behandelt Band 05 Junsukes Erkältung, den Besuch von Megumus Tante und Onkel sowie die Ankunft von Makio. Letzterer ist der aus dem dritten Band bekannte Enkel des angejahrten Heimdirektors. Er möchte den Star-Kids-Bewohnern seine Freundin vorstellen.
Visualisierung
Wie bereits im Rahmen der vorangegangenen Besprechungen immer wieder lobend betont, ist die angesetzte Bebilderung etwas ganz Besonderes. Vor allem die mitunter etwas exzentrischen Charakterdesigns tragen zum ureigenen Charme der Geschichte bei und trennen Sunny damit auch optisch klar vom Manga-Mainstream ab.
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Interview mit Taiyo Matsumoto auf der Lucca Comics & Games-Convention 2017 [Italienisch]
Zur Visualisierung setzt Mangaka Taiyo Matsumoto, wie schon bei anderen Arbeiten, auf ausgesuchte Zeichentechniken wie die Radierung. An Details ist weder im Vorder- noch Hintergrund gespart. Ein Paradebeispiel von alternativer Comickunst, die das Potenzial hat, viele zu begeistern, wenn sie denn nur die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.
Um selbst einmal in das Innere der Reihe zu schauen, bietet Carlsen Manga! eine kostenlose Leseprobe an. Die frei verfügbare Pressemappe beinhaltet ebenfalls verschiedene Illustrationen, die eine Idee von dem zuvor Beschriebenen vermitteln. Alternativ kann, sofern auf Lager, vorsichtig im Handel vor Ort reingeblättert werden. Die großformatigen Bücher sind nicht eingeschweißt.
Über Taiyo Matsumoto
Taiyō Matsumoto, geboren 1967, bedient in seinen Werken ein breites Themenspektrum. Seine Titel bewegen sich zwischen Science-Fiction-Epen, Familiengeschichten und Sportabenteuern. In seiner Studienzeit an der Wako Universität trat Taiyō Matsumoto dem Comic-Seminar bei. Seine Entscheidung, Mangaka zu werden, begründet er mit dem Einfluss seines Cousins und bekannten Mangaka Inoue Santa wie auch mit seiner Faszination an Ôtomo Katsuhiros Manga „Dômu“ („Das Selbstmordparadies“, Alpha Comics). Matsumoto brachte keinerlei Vorkenntnisse mit und lernte die Techniken von Grund auf.
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Xavier Guibert mit Einblicken in die Ausstellung „Taiyō Matsumoto, dessiner l'enfance“ des Festival de la Bande Dessinée d'Angoulême 2019 [Französisch]
Seinen ersten Manga konnte er dennoch bereits während seiner Studierendenzeit im „Afternoon“-Magazin publizieren. Der Durchbruch gelang Matsumoto 1994 mit „Tekkon Kinkreet“, die Sammelbände verkaufen sich in Japan über eine Million Mal. Auf Deutsch erschien die mit dem Eisner Award ausgezeichnete Serie 2019 im Cross Cult Verlag. Seine Werke werden bis heute regelmäßig ins Englische, Französische und Spanische übersetzt. Im Stil des japanischen Mangazeichners finden sich viele europäische Einflüsse. Zu seinen Vorbildern zählt Matsumoto Miguelanxo Prado, Enki Blal und Moebius.
Ähnlich wie Jiro Taniguchi („Der spazierende Mann“, Carlsen) bewegt sich Matsumoto erzählerisch und zeichnerisch jenseits des Manga-Mainstreams, doch seine internationale Fangemeinde ist groß. Sicher auch dank seines unkonventionellen und häufig auch surrealen Zeichenstils. (© Carlsen Verlag GmbH)
Fazit
Der fünfte Band von Sunny knüpft aus erzähltechnischer Sicht gänzlich an die vorangegangenen Teile an: im Aufbau episodisch, inhaltlich höchst melancholisch – zugleich aber nicht schädlich-depressiv. Taiyo Matsumoto stellt den Alltag der verschiedenen Heimkinder ohne verkünstelte Überdramatisierungen dar. In jungen Jahren hat der Mangaka selbst in einer betreuten Einrichtung gelebt. Diese autobiographische Färbung zeigt sich mit Blick auf die vorgelegte Güte deutlich, die eingearbeiteten Emotionen sind sehr greifbar.
Jedes einzelne Kind begleitet ein hartes Schicksal, sie alle haben Träume, deren Erfüllung, gleich wie viel Geld oder Zeit eingesetzt würde, teilweise einfach unmöglich ist – das schmerzliche Bewusstsein darüber schwingt beim Lesen stets in der Atmosphäre mit. Die Geschichte tut dadurch einerseits weh, bereichert aber auch das Selbst. Ein sehr besonderes Werk.
Obwohl es nur recht rudimentär einen roten Faden innerhalb der Geschichte gibt, ist es durch Taiyo Matsumotos Arrangement möglich, über den Verlauf hinweg eine Nähe zu einzelnen Figuren aufzubauen. Ebenso meisterhaft ist die visuelle Darstellung des Mangas, die Optik ist verspielt und voller entdeckender Details. Die alternative, vom Mainstream deutlich weggeneigte Zeichentechnik hat durch ihren ganz eigenen Charakter einen besonderen Liebreiz. Wer bereit ist, sich dahingehend auf etwas Neues einzulassen, wird, wie wir finden, mit einem erstklassigen Titel im Stil von Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft und Gogo Monster entlohnt.
Der Hamburger Herausgeber hat mit der vorliegenden Aufmachung unserer Meinung nach alles richtig gemacht. Sicherlich ist die großformatige Klappenbroschur mit Farbseiten und Naturpapierhaptik mit 16,00 € nicht ganz billig, allerdings ist die deutschsprachige Ausgabe von Sunny dafür auch wirklich sehr gelungen. Interessierte dürfen sich auf eine einwandfreie Produktion freuen.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für das unverbindliche Zusenden eines Belegexemplars.