More than a Shoujo: Ersteindruck zu Shinichi Fukudas Deutschland-Debüt
Seit Anfang Oktober veröffentlicht Egmont Manga More than a Doll, eine Manga-Reihe von Shinichi Fukuda, die eine „Lovestory mit einem Hauch von Erotik“ verspricht. Diese Aussage hat uns neugierig gemacht. Nachfolgend möchten wir nicht nur das zitierte Werbeversprechen der Rückseite, sondern die gesamte Güte des ersten Bandes evaluieren.
Wie dem Titel des Artikels zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem zuvor benannten Werk um die erste deutschsprachige Veröffentlichung der Mangaka. Um diesem zu entsprechender Aufmerksamkeit zu verhelfen, wartet die vorliegende Veröffentlichung mit einer zu besprechenden Ausstattung auf. Vorangestellt ist hierbei auf die der Erstauflage exklusiv beiliegenden Samt-Postkarte zu verweisen. Diese erscheint hochwertig verarbeitet und ist in ihrem Motiv durchaus stimmig. Rot und Weiß sind die zentralen Farben des Prints.
Außerdem ist die Außenseite des Buches mit zwei verschiedenen Beschichtungen veredelt: Ausgewählte Flächen sind mit einem Spot-Lack bedeckt, welche wiederum zu Teilen von einem Relieflack umrandet sind. Letzterer hebt auch die Schriftzüge des Titels haptisch hervor. Preislich sind 7,50 Euro (D) bei einem Gesamtumfang von 200 Seiten Inhalt, der eine doppelseitig bedruckte Farbseite auf Hochglanz-Papier beinhaltet, angesetzt. Auf dem Frontcover befindet sich ein Aufkleber, welcher auf den Miniprint enthaltenen hinweist.
Inhaltsbeschreibung
Im Mittelpunkt der Handlung steht der 15-jährige Wakana Gojo, dessen Eltern bereits verstarben, als er sich noch im jungen Kindesalter befand. Nun lebt er mit seinem Großvater zusammen. Dieser betreibt eine Puppenwerkstadt. In diesem Umfeld entwickelte er bereits früh den Traum, Meister in der Herstellung von Puppenköpfen zu werden. Jeden Tag arbeitet er hart für dieses Ziel und übt sich in den verschiedensten Disziplinen dieses Faches. Insbesondere das Schneidern von entsprechenden Gewändern liegt dem jungen Oberschüler.
Aufgrund seiner für sein Alter und Geschlecht relativ spezifischer Vorlieben gelingt es ihm allerdings nicht, Freundschaften zu schließen. Er ist besorgt, seiner Leidenschaft wegen aus jeder Gruppe nach Bekanntwerden von dieser direkt ausgeschlossen zu werden. Entsprechend hält sich Gojo von vornherein zurück und fristet somit ein Leben als Einzelgänger. Doch könnte sich dieses Schicksal bald wenden.
Nachdem seine eigene Nähmaschine ihren sprichwörtlichen Geist aufgab, setzt Gojo seine Arbeit vorübergehend im wenig besuchten Handwerksraum der Schule fort. Doch bleibt er dabei nicht unentdeckt. Die an der ganzen Schule bekannte wie beliebte Marin Kitagawa betritt den Raum und überrascht nicht nur den Jungen an der Nähmaschine, sondern beobachtet diesen auch in der Interaktion mit seiner Puppe.
© 2018 Shinichi Fukuda / SQUARE ENIX CO., LTD.
Entgegen seiner anfänglichen Befürchtungen scheint seine Mitschülerin kein negatives Wort über seine Zuneigung zu Puppen bereitzuhalten. Vielmehr ist Kitagawa von dem handwerklichen Geschick Gojos beeindruckt und beschließt, diesen um Rat bezüglich eines eigenen Projektes zu konsultieren. Denn neben ihrer oberflächlichen Fassade hegt die attraktive Oberschülerin ebenfalls ein ganz besonderes Hobby.
Genau bei diesem könnte die ungeschickte Kitagawa nun die Unterstützung von Gojo gebrauchen. Wenn dieser sich auf ihre Bitte einlassen würde, käme er nicht nur einer völlig anderen Seite, sondern auch dem Körper des extrovertierten Mädchens besonders nahe. Wie er sich entscheidet, ist im Auftaktband der Geschichte nachzulesen.
Inhaltlich bewegt sich der Titel im erwarteten Rahmen und stellt innerhalb von diesem eine solide Handlung auf. In dieser werden die beiden Protagonisten sowie ihre Wünsche und Einstellungen vorgestellt. Außerdem ist ein Überblick der Thematik geboten. Die romantischen Aspekte sind nur marginal vertreten, die versprochene Erotik ist vorzüglich im visuellen Bereich zu verorten. Dazu nun mehr.
Zeichenstil
Im optischen Bereich besticht der Manga im Vordergrund sicherlich. Saubere Linien bilden das Grundgerüst der Zeichnungen. Diese werden durch das geübte Platzieren von Schatten beziehungsweise Kontrast weiterführend aufgewertet. Hintergrundgestaltungen sind zwar vorhanden, aber in ihrer Darstellung relativ minimalistisch gehalten – oftmals unter Verwendung von Rasterfolie.
Dagegen überzeugt das Charakterdesign von Shinichi Fukuda. Beide Figuren sind entsprechend ihrer zu erwartenden Persönlichkeit visualisiert. Protagonist Gojo vermittelt das stereotypische Bild eines Einzelgängers, das man aus anderen Werken der japanischen Pop-Kultur bereits kennt: kurze, schwarze Haare und schlicht gekleidet. Seine Mitschülerin Kitagawa wird gegenteilig in Szene gesetzt. Funkelnde Augen, Lippen und lange Fingernägel markieren das Erscheinungsbild der zudem stets modisch gekleideten jungen Frau.
Cover und Print: © 2018 Shinichi Fukuda / SQUARE ENIX CO., LTD. | Foto: © 2020 Egmont Verlagsgesellschaften mbH
Unter dieser Fassade verbirgt sich nicht nur ihr Geheimnis, sondern auch ihr Körper. Von diesem ausgehen inszeniert Mangaka Shinichi Fukuda die Erotik des Werks. Ob beim Umziehen oder im Bikini, stets werden einzelne Teile der physikalischen Erscheinungen in bestimmten Panels hervorgehoben – nicht selten in entsprechender Größe. Dabei reicht der Blick von den sekundären Geschlechtsmerkmalen zu den Beinen und Füßen Kitagawas. Auch zwischen die vom Hüftgelenk ausgehenden Gliedmaßen lässt die Zeichnerin blicken.
Eine unschuldige Darstellung ist hier keinesfalls gegeben. Dagegen bietet der erste Band von More than a Doll Abbildungen, welche eher in Josei-Werken mit älteren Charakteren zu vermuten wären. Für einen vertiefenden Eindruck zu dem Zeichenstil ist zudem das Lesen der kostenlosen Preview anzuraten – diese enthält allerdings noch keine Szene beschriebener Art und Weise.
Storytelling
Nachdem die Identität des Protagonisten durch einen auktorialen Erzählstil eingeführt wird, übernimmt das Publikum die Perspektive von Gojo. In dieser Position begleitet die Leserschaft ihn in seinem Alltag und erhält umfassende Einsicht in seine Gedankenwelt. Dabei baut der eigenbrötlerische Junge schnell Sympathie auf – er ist bescheiden, rein in seinem Denken und ein wirklich aufrechter, junger Mann.
Dagegen erscheint Kitagawas duale Persönlichkeit nur sporadisch durch. Es ist zu erwarten, dass ihr Charakter in den kommenden Fortsetzungen weitere Zuwendung erfährt. Zeitlich ist die Handlung fast ausschließlich auf die Gegenwart beschränkt. Die insgesamt aufgebaute Atmosphäre ist als locker zu bezeichnen. Allgemein ist ein reibungsloser Lesefluss zu erwarten.
Die vergleichsweise kurzen Kapitel – jeweils um die 20 Seiten – sind darüber hinaus sehr interessant in ihrer Struktur. Lediglich das erste Kapitel hat eine Überlänge, welche in die grundlegenden Gegebenheiten der Erzählung einführt.
Fazit
Wie dargelegt, ist das eingangs zitierte Versprechen seitens des Herausgebers als erfüllt und damit wahrheitsgemäß zu betrachten. Die Geschichte der beiden ist dabei aktuell allerdings weniger romantisch als anzüglich. Die angekündigte „Lovestory“ wird gewiss innerhalb der nächsten Bände weiter herausgearbeitet – diesbezüglich sind wir uns sicher. Wem Manga aus dem Shoujo-Segment zu unschuldig sind, aber nicht auf Handlungen zwischenmenschlicher Gefühle verzichten möchte, könnte mit More than a Doll gut beraten sein.
Jene Anzüglichkeit bezieht sich dabei sowohl auf den niedergeschriebenen als auch auf den gezeichneten Inhalt des Titels. Besonders in letzterem weiß Shinichi Fukuda zu brillieren. In einem ausführlichen Nachwort berichtet die Künstlerin zudem über ihre Recherche-Arbeiten zu der Reihe, deren Früchte sich mit Bestimmtheit widerspiegeln.
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Vielen Dank an Egmont Manga für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars und die damit einhergehende, freundliche Unterstützung.