Interview mit Eldo Yoshimizu zu „Hen Kai Pan“ und seinen Inspirationen
Mangaka Eldo Yoshimizu war vor Kurzem auf Deutschlandreise. Carlsen Manga! hat den Zeichner dabei unter anderem auf den Comic-Salon Erlangen eingeladen. Dort hatten wir Gelegenheit, ihn persönlich zu interviewen. Thema waren unter anderem seine Besuche und Arbeiten in Europa, die Inspirationen für sein neuestes Werk Hen Kai Pan und Pläne für die Zukunft.
Wir möchten uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Organisation des Interviews sowie bei Eldo Yoshimizu selbst für seine Zeit bedanken. Darüber hinaus bedanken wir uns bei Andrea Takamatsu für das Dolmetschen vor Ort. Die nachfolgende Übersetzung und Verschriftlichung stammt von Manga Passion. Wir kürzen uns dabei mit MP ab.
MP: Guten Tag, Herr Yoshimizu. Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für uns nehmen. Wir freuen uns sehr.
MP: Herr Yoshimizu, Sie sind aktuell viel in Europa unterwegs. Was sind Ihre Eindrücke von diesem Kontinent, was hat Ihnen bisher am besten gefallen?
Yoshimizu-sensei: Ich war bereits früher in Italien, England und überall in Frankreich. Dieses Mal ist mir am meisten Arles in der Provence im Gedächtnis geblieben – das Arles von Van Gogh.
MP: Sie sind ein wahrer Allrounder! In der Vergangenheit haben Sie sich schon der Fotografie und der Bildhauerei gewidmet. Beschäftigen Sie sich noch immer mit diesen beiden, oder weiteren, Formen der Kunst oder liegt Ihr Fokus inzwischen ganzheitlich auf Manga? Wie steht es mit der Musik?
Yoshimizu-sensei: Meine Kunstform ist Public Art. Auch jetzt noch stelle ich diese ab und an aus, zum Beispiel im französischen Poitiers. Dort fand man von mir ausgestellte monumentale Fassadenbilder mit einem TGV-Motiv oder eine Kunstinstallation in einem Krankenhaus, sowie ein Kunstwerk für einen gerade im Bau befindlichen Bahnhof einer neuen Bahnlinie in Paris. Die Fertigstellung ist allerdings leider aufgrund von Covid ins Stocken geraten …
Fotografie und Musik sind Hobbies von mir.
MP: Was gefällt Ihnen beim Zeichnen von Manga am meisten, was bereitet Ihnen bei der Arbeit Freude?
Yoshimizu-sensei: Am meisten Freude bereitet es mir, lebendig wirkende Charaktere zu zeichnen. Ryuko ist sehr cool, bei ihr verändert sich die Mimik wenig. Dagegen ist Sasori sehr lebhaft und bereitet mir deshalb viel Freude beim Zeichnen.
MP: Bei Hen Kai Pan handelt es sich soweit wir wissen um eine Eigenproduktion von Ihnen. Der Einzelband ist jetzt jüngst in mehreren Ländern parallel zum Earth Day erschienen. Uns interessiert, wie der Lizenzierungsprozess ausgehen hat – sind Sie selbst mit den verschiedenen Verlagen in Kontakt getreten?
Yoshimizu-sensei: Eine japanische Ausgabe zu Hen Kai Pan gibt es nicht. Nur Ryuko wurde im Eigenverlag in Japan verlegt. Der Lizenzprozess ist von Verlag zu Verlag verschieden. Zunächst habe ich selbst in Frankreich zu Le Lézard Noir [Anm.: der französische Verlag] immer wieder den Kontakt gesucht. Auch auf den sozialen Medien habe ich während des Zeichnens immer wieder Statusupdates veröffentlicht.
Meine italienischen Kollegen haben mich oft gelobt und den italienischen Verlag BAO Publishing überredet, Ryuko zu veröffentlichen. Danach habe ich Kai-san* in Angoulême getroffen, und Stéphane [Anm.: der Redakteur/Herausgeber von Eldo Yoshimizus Werken in Frankreich] sagte zu mir: „Er ist ein Nice Guy!“ So ist die Lizenzierung für Deutschland zustande gekommen.
Normalerweise organisiere ich die Verträge und den Kontakt selbst. Nur am Anfang, bei Ryuko, hatte ich damals Unterstützung von Stéphane Duval. Bei Gamma Draconis hat hingegen Benoist Simmat die Geschichte geschrieben. Hier kam vom Verlag die Anfrage, ob ich die Zeichnungen dazu anfertigen möchte.
Bei Hen Kai Pan habe ich wirklich alles selbst gemacht, den Kontakt zu Kai-san gehabt, et cetera pp. Bei Le Lézard Noir war es auch so. Außerdem kam eine Anfrage aus Spanien und weiteren Verlagen aus vielen anderen Ländern. Ich konnte so selbst entscheiden, wohin ich lizenziere. Hen Kai Pan wird auch in Peru oder Brasilien veröffentlicht werden.
Ich denke, es ist recht unüblich, dass der Künstler selbst einen direkten Vertrag mit dem Verlag schließt.
*Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist Carlsen-Manga!-Programmleiter Kai-Steffen Schwarz
MP: Inhaltlich stehen neben Asura und Priesterin Pemaju vier Schutzgeister im Mittelpunkt der Geschichte. Haben die verschiedenen Figuren jeweils eine Art Vorbild? Was hat Sie aus designtechnischer Sicht beim Zeichnen inspiriert?
Yoshimizu-sensei: Asura, Ombiasa und Nila sind von mir original ausgedachte Figuren. Aber Honga basiert auf einem Indianer, der in einem Indianerreservat in Arizona in der Nähe der Grenze zu Mexiko lebt. In der Washington Post habe ich ein Interview und Foto mit ihm gesehen, was ich so interessant fand, dass ich direkt Kontakt aufgenommen habe, da ich ihn als Vorlage für Honga verwenden wollte.
Er wollte daraufhin wissen, welche Rolle er in meinem Manga spielen würde. Zunächst meinte ich, dass er für alle, die illegal nach Amerika einreisen, in der Sonora-Wüste Wasser verteilen soll, um ihren Durst zu stillen. Damit war er jedoch nicht einverstanden. Danach machte ich den Vorschlag, dass der Charakter für die Beseitigung des Mülls, welchen die Touristen und Einwanderer in dem Nationalpark der Wüste hinterlassen, zuständig sein könnte. Diesem stimmte er dann zu.
Den Tag darauf kam eine weitere E-Mail von ihm. Er hatte seine Meinung geändert und meinte nun, da er in meiner Geschichte das Vorbild für einen Schutzgeist und nicht für sich selbst sei, überlasse er mir als Künstler doch am Ende die Freiheit zu zeichnen, was ich möchte.
Anmerkung der Redaktion: Am Ende des Interviews, als Yoshimizu-sensei ein Shikishi von Xu Fu für uns angefertigt hat, erzählte er außerdem, dass die Vorlage für sie eine chinesische Unistudentin in Japan war. Diese habe ihm die Erlaubnis gegeben, die Figur nach ihr zu gestalten.
MP: Bei Hen Kai Pan wird der menschliche Umgang mit der Erde, unserem Zuhause, angeprangert. Spätestens seit Fridays for Future sind Themen wie menschengemachter Klimawandel und Nachhaltigkeit omnipräsent. Würden Sie uns verraten, wie Sie persönlich auf die unseren Planeten betreffenden Missstände aufmerksam geworden sind?
Yoshimizu-sensei: Die Aktivitäten von Greta kenne ich, aber meine Meinung ist ein wenig anders. Bei Aktivisten wie Greenpeace oder Greta gibt es oft Widersprüche.
Natürlich respektiere ich Greta für das, was sie tut. Ich sehe das Ganze jedoch eher als Künstler und entsprechend ist mein Blickwinkel ein etwas anderer. Man könnte sagen, ich sehe es wohl ein wenig radikaler.
Diese Aktivisten wollen die Erde retten. Ich denke, die Menschheit stirbt aus. Also aggressiver, wie eine Art Punk.
MP: Sowohl Ryuko als auch Gamma Draconis wurden bis vor Kurzem als abgeschlossen betrachtet. Während zu Ryuko bekanntermaßen gerade eine Fortsetzung in Arbeit ist, haben Sie in einem anderen Interview erklärt, dass Sie auch an eine Weiterführung von Gamma Draconis glauben. Wir fragen uns: Inwieweit kalkulieren Sie eine mögliche Fortsetzung bereits bei der Konzeption Ihrer verschiedenen Geschichten ein?
Yoshimizu-sensei: Zunächst: Bei Gamma Draconis prüfe ich noch, ob es eine Fortsetzung geben wird. Ich zeichne gerade den dritten Band von Ryuko und konzentriere mich ganz darauf. Dieser wird wohl noch zwei Jahre brauchen. Erst danach kann ich über eine Fortsetzung von Gamma Draconis nachdenken.
Ryuko wollte ich eigentlich mit zwei Bänden abschließen. Ursprünglich hatte ich sogar nur einen Band geplant. Am Anfang habe ich gar nicht an eine Veröffentlichung gedacht, sondern Ryuko mehr für mich gezeichnet. Nach dem ersten Band kam jedoch ein Freund auf mich zu und fragte, ob ich diese nicht ausstellen möchte.
Während der Ausstellung in Ginza waren die einzelnen Panels ausgestellt. Viele Besucher fragten, wie es denn weitergehe … So kam ich zu dem Entschluss, die Geschichte weiterzuzeichnen. Um die weitere Geschichte für Band 02 gründlich auszuarbeiten, habe ich mir ungefähr ein halbes Jahr Zeit genommen. Die Geschichte sollte nach zwei Bänden enden.
MP: Im vergangenen Januar wurde bekannt, dass Sie an einem dritten Band von Ryuko arbeiten. Können Sie uns dazu schon mehr verraten, worum es gehen wird? Wird Band 03 den Abschluss der Reihe bilden oder erwägen Sie möglicherweise schon, weitere Fortsetzungen zu veröffentlichen?
Yoshimizu-sensei: Das ist eine schwierige Frage. Zunächst zum Inhalt: Ich habe mich von der Demokratiebewegung und den Protesten in Hong Kong vor zwei Jahren, welche ich aufmerksam verfolgt habe, inspirieren lassen. Ich mag Hong Kong und Taiwan sehr und bin auch selbst des Öfteren dort. Die Menschen dort sind großartig. Korea mag ich ebenfalls.
Ob ich Ryuko mit dem dritten Band beende, weiß ich nicht. Ich stelle es mir wie bei Phönix von Osamu Tezuka vor. Das Werk hat verschiedene Episoden, welche jeweils eine eigene Geschichte darstellen. Nur ein Phönix als wiederkehrendes Element verbindet das Ganze.. So ähnlich könnte auch die Fortsetzung zu Ryuko werden – denn im dritten Band wird Ryuko kaum auftauchen.
MP: Wo wir gerade bei der Zukunft sind: Gibt es etwas, dass Sie in Zukunft gerne einmal zeichnen möchten? Haben Sie abseits vom dritten Ryuko-Band bereits Pläne für eine weitere Arbeit, auf die sich Ihre Fans freuen dürfen?
Yoshimizu-sensei: Nachdem Hen Kai Pan und Ryuko Band 03 mit den Demokratiebewegungen beziehungsweise dem Klimawandel ziemlich schwere Kost voll von gesellschaftlichen Problemthemen sind, würde ich gerne etwas für Kinder zeichnen. Vielleicht mit einer schwarzen Katze als Protagonist. Es ist jedoch noch nichts entschieden oder festgelegt.
Anmerkung der Redaktion: Nach dem Interview hat Yoshimizu-sensei noch einmal von dem Katzenmanga erzählt.
Yoshimizu-sensei: In der Schweiz gab es einen berühmten Künstler, der für das Bild einer schwarzen Katze bekannt ist [Anm.: Théophile-Alexandre Steinlen ist gemeint]. Zum Tribut an diesen Illustrator gab es eine Ausstellung in der Schweiz.
Für diese haben Künstler auf der ganzen Welt Katzen gezeichnet – ich habe einen Comicstrip mit einer schwarzen Katze gezeichnet, dialogfrei. Dieser kam sehr gut an, deshalb möchte ich diese Katze zeichnen.
Kennen Sie die Geschichte von dem Hund namens Laika, der von der Sowjetunion in den Weltraum geschossen wurde? Dabei war eine Rückkehr nicht vorgesehen, das war sehr traurig. Von dieser Geschichte ist mein Bild inspiriert, aber mit Happy End.
Ich habe jedoch ein wenig die Sorge, dass meine Fans, die eher Actionthriller von mir gewohnt sind, eine solch niedliche Geschichte weniger gut finden würden.
MP: Möchten Sie Ihrer Leserschaft in Deutschland zum Abschluss noch etwas mitteilen?
Yoshimizu-sensei: Ich habe gehört, in Deutschland sind die Menschen sehr an Umweltproblemen, Mülltrennung, Recycling und der Abschaltung von Atomkraftwerken interessiert. Deshalb würde ich mich freuen, wenn auch Leute, die normalerweise keine Manga lesen, zu Hen Kai Pan greifen.
MP: Vielen Dank für das Interview.