Vorstellung: „Benkei in New York“ von Jiro Taniguchi und Jinpachi Mori
Seit mehr als drei Jahren ist der Japaner Jiro Taniguchi bereits verstorben – doch seine Werke bleiben der Nachwelt erhalten. Verschiedene Verlage geben die Arbeiten des Künstlers auf Deutsch heraus. Anfang September diesen Jahres erreichte der Einzelband Benkei in New York die interessierte Leserschaft auch hierzulande. Verlag Schreiber & Leser veröffentlichte den Titel, den wir im Folgenden vorstellen.
Ursprünglich erschien der Manga – man könnte auch Graphic Novel sagen – gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Ab Oktober 1991 publizierte der japanische Shogakukan-Verlag die einzelnen Kapitel in der Big Comic Original Zoukan-Zeitschrift. Die deutschsprachige Ausgabe stellt einen Gesamtumfang von 224 Seiten, die gebunden zu einem Preis von 16,95 Euro (D) im Softcover angeboten werden.
Inhaltsbeschreibung
Als gebürtiger Japaner hält sich Protagonist Benkei gegenwärtig in New York auf. Als Mann mittleren Alters geht er verschiedenen Tätigkeiten nach, er ist vielseitig talentiert. In den sieben enthaltenen Kapiteln ist er sowohl Barkeeper als auch Künstler und Verführer. Dabei umgibt ihn stets eine nebulöse Atmosphäre, die seine tatsächlichen Intentionen zu verstecken weiß – auch für die Leserschaft.
Denn unter seiner Fassade als freundlicher Nachbar, kundiger Bartender oder bescheiden wirkender Maler tritt der Asiate mittleren Alters als Kapitalverbrecher hervor. Er ist ein Killer – gekleidet im schwarzen Mantel vollzieht er seine Taten. Dabei tötet er aus entschiedener Überzeugung heraus, denn vor der Annahme eines Auftrags überprüft und evaluiert er die Gesamtsituation anhand seiner dem Publikum unbekannten Werte. Auch hinsichtlich seiner Mordinstrumente befolgt Benkei eigene Prinzipien.
Die Handlung entstammt dem Autoren Jinpachi Mori, der mittlerweile ebenfalls verstorben ist. Mit Benkei in New York ist daher ein besonderes Opus japanischer Popkultur geboten, das in dieser Form sicherlich nicht zu replizieren ist. Getreue Taniguchis sind allerdings explizit darauf hingewiesen, dass es sich bei vorliegender Kooperation der beiden Künstler um eine düstere Veröffentlichung handelt. Diese ist inhaltlich nur schwierig mit den späteren wie eigenen Arbeiten des 1947 in Tottori geborenen Mannes zu vergleichen.
Zeichenstil
Während die Geschichte nicht zwingend auf Taniguchis Beteiligung schließen lassen könnte, ist dieser Eindruck für die Visualisierung als umgekehrt zu beschreiben. Jede einzelne Seite des Einzelbandes ist ein Abbild des Ausnahme-Talents aus Japans. Insbesondere das Charakterdesign Benkeis erinnert an andere Protagonisten seiner Erzählungen – diese Ähnlichkeit ist ein bekanntes Stilmerkmal des Illustratoren, das seine beständige Leserschaft zu schätzen weiß.
Besonderen Detailreichtum weißt außerdem die angesetzte Hintergrundgestaltung auf. Elemente dieser werden durch das Platzieren großflächiger Panels dabei wiederholt in den Vordergrund gerückt. Zurecht – denn Taniguchis Kunst ist definitiv kein zu vernachlässigendes Beiwerk, sondern der Motor der gesamten Darstellung. Dass den Zeichnungen kein Leben innewohnt, kann schnell vergessen werden.
© 1996 Jinpachi Mori, PAPIER/Jiro Taniguchi by Shogakukan
© 2020 Verlag Schreiber & Leser for the German language edition
Wenn dir die Güte der Bebilderung nicht bekannt oder nicht vorstellbar ist, kannst du unkompliziert in das besprochene Werk hineinblicken. Hierfür ist lediglich das Klicken auf den entsprechenden Button an dieser Stelle nötig. Die Leserichtung ist als von rechts nach links zu betrachten, das Weiterblättern von links nach rechts vorzunehmen.
Erzählweise
In jedem neuen Kapitel ist eine neue Herausforderung, ein neuer Fall geboten. Inhaltlich sind diese nur durch den Protagonisten Benkei geboten, durch dessen Blickwinkel die Geschichte an die Leserschaft herangetragen wird. Darüber hinaus ist kein Einblick in dessen Gedankenwelt geboten, er verbleibt hintergründig. Seine Persönlichkeit zu erfassen fordert das Publikum möglicherweise heraus.
Die episodische Erzählstruktur, die nur lose durch die Figur des Protagonisten verbunden ist, bedarf wenig Erklärung. Diese Struktur geht aus der Schilderung des Inhalts hervor und eine Technik, die in mehreren seiner Titel Verwendung findet – beispielsweise in Der Gourmet, der hierzulande im Carlsen Verlag-erschienen ist. Durch den limitierten Rahmen eines jeden Kapitels ist der Verlauf als dynamisch zu beschreiben.
Fazit
Die Geschichte ist mitnichten als revolutionär zu betrachten, doch gefällt das Setting. Wenn das Publikum an Erzählungen aus dem Noir-Segment mit Entstehungsursprung in Japan interessiert ist, ist Benkei in New York zu empfehlen. Der Einzelband ist allerdings in den Vereinigten Staaten angesiedelt – des Protagonisten Herkunft ist Gespräch, aber nicht Thematik. Dies sei vorweggenommen.
In die Bilder des bereits Verstorbenen zu blicken lässt uns durchaus die Erfindung des Buchdrucks sowie damit verwandte Innovationen zelebrieren. Es ist schön, dass Taniguchis Illustrationen – wie auch das Szenario Moris – nicht in Vergessenheit geraten. Inwiefern die physikalische Verarbeitung der Geschichte und den sicherlich emotional-geprägten Assoziationen unsererseits gerecht werden kann, ist leider nicht zu beurteilen, da dem zuständigen Rezensenten kein physisches Exemplar des Titels vorliegt.
Vielen Dank an Schreiber & Leser für das Übermitteln einer digitalen Kopie des Titels.