Interview mit Hayabusa – erstes Halbjahr 2023, Partnerschaft mit ShuCream und Ausblick auf 2024
Passend zum Ende der ersten Hälfte 2023 durften wir wieder ein Interview mit Hayabusa-Programmleiter Jonas Blaumann führen. Thema waren dabei nicht nur das vergangene Halbjahr, sondern auch die Beziehungen zum japanischen Verlag ShuCream sowie vergangene und zukünftige Roman-Veröffentlichungen.
Nachfolgend kürzen wir uns mit MP ab.
MP: Hallo Jonas und vielen Dank, dass du dir wieder Zeit für uns nimmst.
Jonas: Wie immer sehr gerne. Danke an euch für das Interesse.
MP: Fangen wir ganz allgemein an: Wie lief es das erste Halbjahr 2023 für euch?
Jonas: Grundsätzlich sind wir hochzufrieden. Wir sind ja immer noch ein junges Label und wachsen gesund heran. Wir haben noch nicht mal unser Erwachsenengefieder erreicht, um in der Wanderfalkensprache zu bleiben.
Wir bekommen super viel positives Feedback aus der Community, und das ist uns am wichtigsten. Fast alle unsere Bücher erfreuen sich großer Beliebtheit.
Und auch wirtschaftlich behaupten wir uns großartig, das bedeutet, wir können mit großer Freude auch in den nächsten Jahren Programm machen und tolle Manga nach Deutschland holen.
MP: Welche Titel sind am besten gelaufen? (Welche im BL-Bereich und welche abseits davon?) Und welche könnten deiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit vertragen – und warum?
Jonas: Herausragend ist natürlich Alice in Borderland. Neben dem großen Erfolg war dieses Projekt sehr besonders für uns, weil zwischen dem Angebot an den Lizenzgeber und dem Erscheinen von Band 1 gerade mal fünfeinhalb Monate lagen.
Im Boys-Love-Bereich sind wir vor allem mit unseren neuen Titeln From Top to Bottom, Dick Fight Island, I Can’t Write About This Kiss und Lullaby of the Dawn sehr zufrieden.
Wir haben zwei besondere Kurzserien veröffentlicht, die beide einfach großartig sind – jede auf ihre Weise. Einmal Tanz in die abendliche Stille – eine wunderschöne Story über einen Jungen, der rhythmische Sportgymnastik für sich entdeckt und mit Rollen- und Gender-Klischees zu kämpfen hat. Und dann Wenn die Blüten Trauer tragen – eine sehr traurige und berührende Girls-Love-Liebesgeschichte. Beide haben bisher unserer Meinung nach viel zu wenige Leser*innen erreicht, was wir total schade finden. Wer noch nicht reingeschaut hat, sollte das unbedingt mal tun.
Und dann hat die Reihe CANIS auf jeden Fall noch nicht ihr Potential ausgeschöpft. An alle Boys-Love-Fans, die das hier lesen: Checkt auf jeden Fall mal CANIS!
MP: Zum Start von Alice in Borderland musstet ihr die ersten Bände direkt zum Release nachdrucken, die Nachfrage war offensichtlich groß – wohl nicht zuletzt durch die Bekanntheit der Netflix-Realserie. Habt ihr mit einem solchen Erfolg gerechnet? Und kannst du etwas dazu sagen, wie der Manga im Verlauf der letzten Monate angenommen wurde? Verkaufen sich die neuen Bände immer noch (sehr) gut?
Jonas: Tatsächlich hat uns die Nachfrage anfangs doch überrascht. Natürlich haben wir an die Serie geglaubt, aber dass vor allem Band 1 dann so schnell ausverkauft war, haben wir nicht erwartet. Leider läuft die Planung der Druckauflagen mit etwas Vorlauf, deshalb konnten wir nicht schnell genug reagieren. Mittlerweile haben wir aber die Mengen angepasst, sodass das nicht mehr passieren sollte.
Wir hatten mit Band 2 unseren ersten Platz 1 in den Manga-Wochencharts, das hat uns sehr gefreut. Die Verkäufe sind nach wie vor super. Band 5 ist gerade ausgeliefert und es kommen noch vier weitere. Natürlich hoffen wir auch auf die nächste Staffel auf Netflix, damit die Serie auch in den nächsten Jahren noch viele neue Leser*innen findet. Das hat sie auf jeden Fall verdient.
MP: In den letzten Monaten war unter Fans die Zensur in Dick Fight Island Thema. Viele gingen davon aus, dass es hierzulande wie in den USA eine unzensierte Version geben wird. Könntest du hier noch einmal für unsere Leserinnen und Leser erklären, warum es zu den Unterschieden zwischen der deutsch- und englischsprachigen Fassung kam? Könnte so etwas zukünftig öfter passieren?
Jonas: Wie bei allen Titeln haben wir auch hier den Lizenzgeber gefragt, ob wir die unzensierten Bilder bekommen können. Darauf haben wir eine Absage bekommen. Wieso der US-Verlag unzensiertes Material bekommen hat und wir nicht, können wir nicht sagen, das hat uns auch überrascht.
Wir versuchen immer, unsere Ausgaben so unzensiert wie möglich zu machen. Es klappt ja auch immer häufiger. Wenn die Autor*innen oder die Lizenzgeber das nicht möchten, dann respektieren wir das aber natürlich.
MP: Bei der Ankündigung eures neuen Winterprogramms 2023 blieb aufmerksamen Fans nicht verborgen, dass unter den Neustarts sehr viele Werke des japanischen Verlags ShuCream sind. Wie kam es zu dieser augenscheinlichen Fokussierung im Boys-Love-Bereich?
Jonas: ShuCream ist ein relativ junger Verlag, der sich vor allem auf Boys Love spezialisiert hat. Wir hatten früh einige sehr schöne Titel unter deren Label from RED entdeckt, und unsere Fühler ausgestreckt. Sehr schnell wurde klar, dass die Leute von ShuCream und wir bei Hayabusa sehr ähnlich ticken. Wir hatten einige tolle Gespräche, und da hat einfach alles gepasst. Daraufhin haben wir einen Exklusiv-Deal mit ihnen abgeschlossen, das heißt wir haben Erstzugriff auf alle from RED-Titel.
Viele der Künstlerinnen bei ShuCream finden z. B. unsere SNS Cards richtig toll und haben deshalb neue Illustrationen nur für diese gezeichnet. Da entsteht gerade eine Partnerschaft auf ganz hohem Niveau.
Trotzdem werden wir auch in Zukunft genauso auf die Qualität und die Inhalte achten wie bisher. Und natürlich weiterhin Lizenzen von allen anderen japanischen Verlagen machen. Hayabusa steht für Vielfalt.
MP: Bleiben wir noch einen Moment bei euren Boys-Love-Titeln: Ihr veröffentlicht aus dem Bereich hauptsächlich Einzelbände und Kurzreihen. Woran liegt das? Könnt ihr euch (abgesehen von Webtoons) auch etwas Längeres vorstellen?
Jonas: Es ist einfach so, dass es in Japan eher wenige längere Boys-Love-Serien gibt. Die meisten Titel sind eben Einzelbände oder Kurzserien. Aber mittlerweile haben wir einige Serien im Programm, die noch nicht abgeschlossen sind, also noch einige Bände bekommen.
Boys-Love-Serien werden in Japan in der Regel viel langsamer veröffentlicht als z. B. Shonen-Serien. Die Künstlerinnen haben meist keine Assistent*innen und zeichnen alles komplett selbst, das bedeutet, es dauert einfach länger. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum es wenige lange Serien gibt.
Wir entscheiden nicht aufgrund der Anzahl von Bänden. Wenn uns eine Serie überzeugt, dann wollen wir sie machen.
MP: Bei Lonely Castle in the Mirror werdet ihr sowohl den Manga als auch den Roman veröffentlichen. Was war für euch bei diesem Titel so besonders, sodass ihr beide Fassungen lizenziert habt?
Jonas: In diesem Fall haben wir uns tatsächlich zuerst auf den Roman konzentriert. Der ist einfach unglaublich gut. International ist das Buch auch bereits seit Jahren ein Bestseller. Als es einen Anime-Film dazu gab, haben wir dann entschieden, wir wollen den machen. Der Manga kam erst hinterher. Da es sich um einen abgeschlossenen Roman handelt und das Paket zusammen mit dem Manga in fünf Bänden einfach perfekt passt, freuen wir uns sehr.
MP: Mit Bis wir uns fanden: Japans erstes schwules Ehepaar und Connect it Cool, Guys sind in der Vergangenheit schon zwei Romane bei Hayabusa erschienen. Wie zufrieden seid ihr mit deren Performance auf dem Markt?
Jonas: Die Verkaufszahlen sind bei beiden Romanen leider nicht wirklich gut. Wir bereuen nicht, sie gemacht zu haben, das zeigt uns aber, dass wir bei Romanen vorsichtig sein müssen und weiterhin nur ausgewählte Projekte machen werden. Für 2024 haben wir aber schon ein neues Projekt im Auge, wir warten noch auf die Zusage vom Lizenzgeber.
MP: Kannst du bereits einen Ausblick auf das zweite Halbjahr beziehungsweise auch das Folgeprogramm geben? Worauf können sich Fans bei euch noch freuen?
Jonas: Im Herbst haben wir tolle Neustarts: #DRCL – Midnight Children, Takopi und die Sache mit dem Glück, Smoking Behind the Supermarket, MADK und Kabukicho Bad Trip, um nur einige zu nennen.
Wie üblich kann ich keine Aussagen über neue Lizenzen im Frühjahr 2024 machen. Aber wir brüten auf jeden Fall so einiges aus momentan … Sollten wir alle Gelege durchbringen, dann wird 2024 wohl unser bisher stärkstes Jahr. Gäbe es den Wanderfalken unter den Chinesischen Tierkreiszeichen, so würde 2024 nicht das Jahr des Drachen … 😉
MP: Was sind deine persönlichen Lieblinge aus dem neuen Programm – und warum?
Jonas: Wie immer die schwierigste Frage … Ich persönlich mag sehr gerne Lonely Castle of the Mirror und #DRCL – Midnight Children. Außerdem freue ich mich besonders auf Takopi und die Sache mit dem Glück, Smoking Behind the Supermarket und MUSEUM – The Serial Killer is Laughing in the Rain.
Im Boys-Love-Bereich favorisiere ich MADK und Kabukicho Bad Trip.
MP: Wisst ihr bereits, auf welchen Messen ihr dieses Jahr noch vertreten sein werdet?
Jonas: Jetzt erstmal auf der AnimagiC, und dann noch auf der Connichi. Wahrscheinlich war es das für dieses Jahr.
MP: Vielen Dank für das Interview.
Jonas: Immer wieder ein Vergnügen.