Es verbleibt Skepsis: „Unsere Farben“, Band 02
Anfang Oktober ging unsere Redaktion dem Auftakt von Gengoroh Tagames neuer Reihe, Unsere Farben, mit – zu – hohen Erwartungen entgegen. Leider konnte diese – insgesamt betrachtet – nicht hinreichend erfüllt werden. Dennoch sind wir entschlossen, das Werk des renommierten Gay-Artists auch weiterhin zu verfolgen und auf seine Qualität zu untersuchen. Nachfolgend die Besprechung zum zweiten Band.
Zu dem bekannten Preis von 10,00 Euro (D) ist erneut ein Umfang von 176 Seiten geboten, die sich weitestgehend auf sieben Kapitel aufteilen. Die treue Leserschaft des Autoren ist nebstdem bereits mit der kartonartigen Haptik der Außenseite des Mangas vertraut, die auch hierbei wieder Verwendung fand. Diese Veredelung ist beispielsweise auch von Titeln wie Blue Flag, Magus of the Library und Folge den Wolken nach Nord-Nordwest in Deutschland bekannt wie geschätzt.
Im Inneren sind die Rückseiten des Front- und Backcovers darüber hinaus mit je einem vereinfachten Motiv – einer Skizze – bedruckt. Diesmal sind zudem keine Schwankungen hinsichtlich der Druckqualität unseres Belegexemplars zu notieren. Dennoch empfiehlt es sich natürlich, sofern die Möglichkeit gegeben ist, Bücher vor dem Kauf stets auf etwaige Mängel zu untersuchen.
Handlung und Erzählweise
Bereits aus dem ersten Band ist bekannt, dass Oberschüler Sora homosexuell ist – und darunter emotional leidet. Seine Qual resultiert dabei allerdings nicht aus dem Wunsch heraus, keine Männer lieben zu wollen. Stattdessen nimmt er die Gesellschaft und deren – stückweit lediglich antizipierte – Sichtweise auf seine Homosexualität als belastend wahr.
Sein Schwarm ist zugleich sein Mitschüler, ein Spieler des Baseball-Clubs namens Yoshioka mit kräftiger Statur, der eigentlich einen sympathischen Eindruck macht. Nach einem gelungenen Tagesanfang, hat sich zuletzt jedoch herausgestellt, dass dieser wohl eine Abneigung gegenüber „Homos“ empfindet. Ein schwerer Schlag für den Jungen, der ohnehin durch viele Unsicherheiten gepeinigt ist.
Zugleich hat sich aus dieser Situation auch ein scheinbar glücklicher Umstand ergeben. Beim Ausruhen am Meer ist Sora so auf den angejahrten Café-Besitzer Shiro getroffenen, einen Mann, der scheinbar offen mit seiner Homosexualität umgeht. Dieser wird zu einer wichtigen Person des Austausches für den jungen und unsicheren Schüler. Die bewegte Biografie jenen Mannes ist ebenfalls Bestandteil dieses Bandes.
Doch auch im familiären Bereich bahnen sich neue Schwierigkeiten für Sora an. Nachdem seine Mutter beobachtete, wie er gemeinsam mit Nao zum Einkaufen ging, hält sie die beiden Jugendlichen fälschlicherweise für ein Paar. Dabei weiß die langjährige Sandkastenfreundin mittlerweile um die Umstände, die Sora beschäftigen wie deprimieren. Ihrer besten Freundin, die sich aus diesem inneren Kreis ausgeschlossen fühlt, kann Nao diese allerdings nicht näher erläutern, sodass ein Kreislauf aus Missverständnissen entsteht, dessen Auflösung offene Kommunikation benötigen würde …
Thematisch erinnert sowohl die erklärte Handlung als auch der Schauplatz des Cafés zunächst an Yuhki Kamatanis Wer bist du zur blauen Stunde? – allerdings, und dies ist diesmal durchaus positiv hervorzuheben, entwickelt die Geschichte innerhalb der vorliegenden Fortsetzung eine eigene Tiefe. Der familiäre und freundschaftliche Bezug wird innerhalb dieser stärker als in anderen LGBT-Werken fokussiert. Besondere Überraschungen sind im Verlauf dennoch nicht zu erwarten.
Der zweite Band ist weniger von Kommunikationslosigkeit geprägt – Sora tritt in den aktiven Austausch mit Café-Besitzer Shiro und seiner Kindheitsfreundin Nao. Dies ist ein signifikanter Bestandteil seiner eigenen Identitätsfindung. Diese ist weiterhin durch den Einblick in die innere Gefühlswelt des Protagonisten ergänzt, welche dem Publikum gegenüber transparent aufgetragen ist.
Zeichenstil
Gengoroh Tagames künstlicheres Handwerk ist in den einzelnen Seiten der Erzählung klar wiederzuerkennen. Seine Arbeit im Bara-Segment ist auch in Unsere Farben ersichtlich – maskuline Charakterdesigns, die sich nicht am Bishounen-Standard von stereotypischen Boys-Love-Werken orientieren. Achselbehaarung wird so beispielsweise nicht verborgen, sondern geradezu gegenüber dem Publikum kuratiert. Die natürliche Statur lässt die männlichen Figuren darüber hinaus menschlich erscheinen.
Die Illustrationen zeichnen sich vor allem durch eine klare und minimalistisch erscheinende Linienführung aus. Besondere Details sind nicht dargestellt, dies entspricht dem schlichten Charakteristikum, das bereits im Auftakt positiv auffiel. Ebenso simpel erscheint die Hintergrundgestaltung. Rasterfolie findet reichlich Gebrauch, trägt im Allgemeinen jedoch nicht störend auf.
Die benannte Trilogie verfügt hierzulande gegenwärtig über keine Lebeprobe. Die Original-Version kann allerdings hier über die japanische Amazon-Seite betrachtet werden. Alternativ ist auf die kostenfreie und deutschsprachige Preview zu Der Mann meines Bruders zu verweisen, das in Bezug auf die Optik dem vorliegenden Werk gleicht.
Fazit
Unsere Erwartungen an die vorliegende Fortsetzung wurden zuletzt entschieden zurückgeschraubt. Nun ist zu bemerken, dass inhaltlich ein deutlicher Fortschritt geboten ist, der vor allem durch die angezogene Erzählgeschwindigkeit katalysiert wird. Unter Anbetracht der aufgeworfenen Wirrungen sowie unter Berücksichtigung der Geschehnisse des letzten Kapitels ist sich jedoch gegebenenfalls um die Güte des weiteren Verlaufs zu sorgen – ob ein letzter Band ohne erweiterten Seitenumfang der ausstehenden Aufklärung gerecht wird? Wir sind diesbezüglich – offen gesprochen – noch skeptisch. Voraussichtlich zum 1. Juni des neuen Jahres erscheint der Abschlussband, der diese Angelegenheit aufzuklären vermag.
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Der schlichte Zeichenstil Tagames ist dagegen weitestgehend ohne Schwächen und einer Slice-of-Life-Geschichte dieser Art sicherlich angemessen. Obwohl die Charakterdesigns an die Bara-Kultur erinnern, sind diese im Wesentlichen als harmlos – und nicht sexualisiert – zu betrachten. Die dargestellte Körperbehaarung mag im Medium Manga ungewöhnlich erscheinen, ist jedoch Bestandteil der Realität und sollte somit nicht verschmäht werden. Es ist angenehm, mit visuellen Elementen außerhalb der gewohnten Sphäre durch Unsere Farben konfrontiert zu werden.
Abschließend bedanken wir uns bei Carlsen Manga für die Zurverfügungstellung einer Rezensions-Kopie des Werks, welche diese aufrichtige Besprechung unsererseits für euch ermöglicht. Bitte bedenkt, dass die oberhalb geschilderte Meinung lediglich die subjektive Einstellung des zuständigen Redakteurs ist.