BL-Omegaverse bei TOKYOPOP: „Drowning Into the Night“, Band 03
Erst Anfang des vergangenen Monats besprach unsere Redaktion den zweiten Band von Anna Takamuras Boys-Love-Arbeit Drowning Into the Night, einem Omegaverse-Titel aus Japan. Während der erste Eindruck eher bescheiden ausfiel, konnte die ab 18 Jahren empfohlene Reihe zuletzt ihr vorhandenes Potenzial abbilden. Nun möchten wir anhand des nächsten Bandes prüfen, ob dieser Aufwärtstrend bestehen bleibt.
Seit dem 02. Januar des neues Jahres ist der dritte und somit bereits vorletzte Teil der Geschichte bei TOKYOPOP auf Deutsch erhältlich. Für den gebotenen Gesamtumfang von 192 Seiten sind erneut 7,99 Euro (D) als Preis durch den zuvor benannten Herausgeber veranschlagt. Dies erscheint weiterhin überdurchschnittlich hoch – insbesondere da keine spezielle Coververedelung oder Farbseiten zu erwarten sind.
Fans des im Folgenden erläuterten Omegaverse-Settings dürften dennoch bereit sein, den genannten finanziellen Beitrag zu entrichten, da diese Art von Geschichten weiterhin eine Seltenheit im deutschsprachigen Raum bleiben. Insbesondere die Tatsache, dass die Reihe um eine Schuber-Veröffentlichung bereichert wird, dürfte Entzückung hervorrufen.
Inhaltsbeschreibung
Die in Drowning Into the Night dargestellte Gesellschaft differenziert nicht nur zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht, sondern unterteilt die Menschen zugleich in drei Kategorien ein. An der Spitze der Hierarchie stehen dabei die sogenannten Alphas. Diese sind die führenden Mitglieder der Bevölkerung, gelten als unnahbar und sind auch im beruflichen Sektor überaus erfolgreich. Sie sind durchaus gewohnt alles zu bekommen, wonach sie verlangen – ob Objekt oder Mensch.
Darunter platzieren sich die sogenannten Betas. Das ist jene Klasse von Menschen, die zahlenmäßig am meisten auf der Welt verbreitet ist. Es ist die breite Masse, die trotz häufiger Benachteiligungen froh ist, im Allgemeinen keine Diskriminierung erdulden zu müssen. Die Individuen dieser Schicht blicken nicht selten mit Neid auf die dominierenden Alphas. Den Abschluss des gesellschaftlichen Systems bilden die sogenannten Omegas, abwertend auch als die Fortpflanzungsmaschinen bezeichnet.
Unabhängig vom biologischen Geschlecht sind diese als einzige Mitglieder der Gesellschaft befähigt, Nachkommen zu gebären. Trotz dieser wichtigen Aufgabe sind die Omegas täglich mit Ausgrenzungen und Entwürdigungen aufgrund ihres Standes konfrontiert. Um diesen Konsequenzen zu entgehen, präsentierte sich Protagonist Yukishiro zuletzt als aufstrebende Führungskraft eines angesehenen Unternehmens. Dort vermutete bislang niemand, dass er nur vorgibt, ein Alpha-Mann zu sein. Mit dem aus Amerika angereisten Vizepräsidenten Hiiragi änderte sich dies jedoch schlagartig – dieser durchschaute die Scharade sofort und erklärte Yukishiro darüber hinaus zu seinem Schicksalspartner. Mit ihm möchte er eine Paarbindung eingehen, eine Art Beziehung, die von einer höheren Gewalt bestimmt wurde. Glückseligkeit für beide Partner ist versprochen, sobald diese eingegangen wird – es ist jedoch ohne Belang, ob diese einvernehmlich Zustande kommt.
Bislang wusste nur Yukishiros Kindheitsfreund Fuji von den wahren Umständen. Der dunkelhaarige Beta, dessen Empfindungen für den jungen Abteilungsleiter über Freundschaft hinausgehen, ist eine Vertrauensperson für den verkappten Omega und steht zugleich mit Hiiragi in Konkurrenz um Yukishiros besondere Gunst.
Innerhalb der Handlung des dritten Bandes ist die Rivalität beider attraktiver Männer um den Pheromone verteilenden Mann weiterführend erzählt. Dieser muss nun seine Gefühle abwägen und entscheiden, zu welchem der beiden attraktiven Erscheinungen er sich mehr hingezogen fühlt. Die vom Schicksal erwählte Bindung könnte dabei eine besondere Rolle spielen; aber auch seine Gefühl gegenüber Fuji scheinen stark …
Zeichenstil
Die optische Umsetzung der erklärten Geschichte gefällt weiterhin durch den moderner Flair der Illustrationen, der sich durch eine saubere Linienführung und durch die gleichmäßige Kontrastierung mittels verschiedener Grauabstufungen auszeichnet. Rasterfolie verleiht den Zeichnungen weitere Struktur, erscheint in ihrer Verwendung jedoch angenehm dezent.
Vereinzelt sind einige Ausschnitte der Boys-Love-Erzählung von Mangaka Anna Takamura großflächig dargestellt – diese Passagen bilden zugleich das Highlight der Visualisierung. Außerdem imponieren die tendenziell femininen Charakterdesigns, die sicherlich in gewisser Weise auch auf die animalisch konnotierte Handlung zurückzuführen ist.
Die Inhalte, welche maßgeblich für die Leseempfehlung ab 18 Jahren zu benennen sind, sind in diesem Band gestalterisch weniger als zuvor ausgeprägt. Obgleich einige Szenen dieser Art mehrfach abgebildet sind, verbleiben diese im Wesentlichen zensiert – die primären Geschlechtsmerkmale sind durch weiße Flächen überdeckt, der Blick auf den gesamten Ober- und Unterkörperbereich ist allerdings frei. Die Erotik des Werks offenbart sich außerdem in der lasziven Mimik der Hauptfiguren.
In einen der jugendfreien Abschnitte des Mangas kann an dieser Stelle kostenfrei hineingelesen werden. Durch diese Leseprobe zu dem Titel kann ein eigener Eindruck von dem beschriebenen Zeichenstil gewonnen werden. Die Bildqualität der 40 Seiten umfassenden Preview ist – vermutlich aufgrund eines Kopierschutzes – nicht hochauflösend. Die im Handel erworbenen Bände sind dahingehend selbstverständlich einwandfrei.
Storytelling
Die Geschichte wird gewissermaßen nahtlos fortgesetzt. Dabei wartet der dritte Band diesmal mit rund dreißig Seiten mehr auf, sodass neben den Sichtweisen von Hiirage und Yukishiro auch Raum für die Perspektive des Betas Fuji ist, dessen Gefühle nun näher thematisiert werden – zum Abschluss des dritten Bandes ist diesem außerdem ein Bonuskapitel gewidmet. Weiterhin ist erstmals sein familiärer Hintergrund aufgezeigt – dahingehend ist für das kommende Finale ein weiterer Handlungsstrang eröffnet. Was genau die Leserschaft im weiteren Verlauf zu erwarten hat, verbleibt allerdings abzuwarten.
Die ausgedehnten Textpassagen vermitteln die emotionalen Gedankengänge der einzelnen Figuren geschickt, bremsen die Erzähldynamik stellenweise allerdings entschieden aus, sodass gelegentlich ein Gefühl der Schwunglosigkeit während dem Lesen eintritt. Folglich ist möglicherweise zu empfehlen, nicht alle Kapitel ohne Unterbrechung zu lesen. Dies ist individuell zu entscheiden.
Fazit
Die zuvor aufgeworfene Handlung wird in diesem Band weiter vertieft – erstmals liegt der Fokus dabei mehr auf den Gefühlen der Figuren als auf deren körperlichen Aktivitäten erwachsener Natur. Wie erklärt, ist die erzähltechnische Dynamik jedoch eingeschränkt. Dies könnte unter Umständen beim Durchlesen des gesamten Buches zu einer einsetzenden Trägheit führen. Dem ist einfacherweise mit Pausen zu begegnen.
Visuell setzt sich der, bereits bestehende, positive Eindruck diesbezüglich fort. Die Zeichenkunst von Anna Takamura gefällt ebenso wie ihr angewandtes Worldbuilding, das auch in dem nun erschienenen Teil der Geschichte weiter ausgebaut wird. Am Ende des dritten Bandes ist so eine Tabelle zur Vererbung der unterschiedlichen Genmerkmale dieser Omegaverse-Welt beigefügt.
Hinsichtlich der deutschsprachigen Fassung ist fortführend kritisch anzumerken, dass innerhalb des Klappentextes die sekundären Geschlechter der Menschen als Alpha, Beta beziehungsweise Omega ausgeschrieben sind. Im Inneren des vorliegenden Mangas sind diese Begriffe allerdings durch die griechischen Buchstaben α, β beziehungsweise Ω ersetzt – dies beeinträchtigt unter Umständen den Lesefluss und erscheint insbesondere im Plural, zum Beispiel „αs“, ungewohnt.
Um die dahingehende Konsistenz innerhalb der Reihe zu wahren, erscheint es dagegen nachvollziehbar, dass man diese Praktik in allen Bänden von Drowning Into the Night beibehält. Dennoch ist uns wichtig, diesen Umstand – auch in Bezug auf zukünftige Veröffentlichungen – nicht zu ignorieren. Außerdem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis als kritisch zu bewerten.
Wir bedanken uns abschließend beim TOKYOPOP-Verlag für die Unterstützung durch Bereitstellung eines unverbindlichen Belegexemplars.