750 Seiten im Hardcover: über die Deluxe Edition von Junji Itos „Tomie – Es gibt kein Entkommen“
Mangaka Junji Ito hat international eine große Fangemeinschaft, auch hierzulande haben sich seine Werke zuletzt sehr gut verkauft. Nachdem Carlsen Manga! aufgrund dessen die Veröffentlichung von Sensor und Frankenstein angekündigt hat, ist kürzlich die Gesamtausgabe von Tomie – Es gibt kein Entkommen auf Deutsch erschienen. Wir haben uns den Release genauer angeschaut.
Wie zuvor schon Uzumaki – Spiral into Horror, Gyo – Der Tod aus dem Meer und Shiver - Meisterhafte Horrorgeschichten ist der Manga als Deluxe Edition produziert, also als großformatiges Hardcover. Die insgesamt 19 Kapitel erstrecken sie auf rund 750 Seiten – entsprechend schwer ist das Buch. Das Coverdesign ist wieder mit Spotlack veredelt, der je nach Lichteinfall Tomies „wahres Gesicht“ hervorbringt. Mit einem Gewicht von etwa 1,5 Kilogramm ist der Lesekomfort deutlich eingeschränkt, entweder ist der Sammelband aufzustützen oder beim Lesen mehr abzusetzen.
Programmleiter Kai-Steffen Schwarz erklärte dazu im Comicforum, dass man verlagsintern ursprünglich überlegt habe, die Geschichte in zwei Bänden herauszugeben. Die beiden Teile hätten preislich dann aber bei je 20,00 € bis 24,00 € gelegen. Stattdessen wird der Manga in der vorliegenden Form nun für 34,00 € – und somit wesentlich günstiger – angeboten. In Anbetracht der Dicke und Schwere wäre hier ein geteilter Release aber wohl sinnhafter gewesen.
Inhaltsbeschreibung
Die titelgebende Protagonistin Tomie ist eine wunderschöne junge Frau mit schwarzen, seidigen Haaren und einem Muttermal unter dem linken Auge. Scheinbar problemlos zieht sie die Männer mit ihrem Aussehen scharenweise in ihren Bann. Tomie verfügt über die besonderen Fähigkeiten, sie alle um den Finger zu wickeln. Nicht wenige sind bereit, alles für sie zu tun – und Tomie weiß das zu ihrem Vorteil auszunutzen.
Doch der anfänglichen Liebe folgt immer wieder eine Obsession, Tomie macht die Männer mit ihrer Schönheit nicht einfach nur blind vor Liebe, sondern geradezu wahnsinnig. Sie alle entwickeln über kurz oder lang den Drang, Tomie umzubringen, sie bestialisch zu zerteilen. Immer wieder geschieht genau das, aber die junge Frau ist nicht totzukriegen.
Egal wie, es gelingt ihr stets, sich zu regenerieren – selbst tiefe Schnitt- und Brandwunden hindern den Körper von Tomie nicht an der Heilung. Zu allem Übel bilden sich im Laufe der Zeit immer mehr Tomies, denn schon aus kleinsten Gewebeteilchen, oder gar Blut, erwachsen neue Organismen. Es dauert mitunter ein wenig, bis sie ihre Form annehmen, aber sie alle werden schließlich zu einem Abbild jener mysteriösen Schönheit. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, überall bricht Chaos aus, sobald Tomie in Erscheinung tritt …
Visualisierung
Mangaka Junji Ito hat bereits im Februar 1987 mit der Veröffentlichung von den einzelnen Geschichten um Tomie begonnen – dem Zeichenstil sieht man das zwar durchaus an, die leicht angejahrte Optik verleiht dem Werk allerdings einen besonderen Flair, der der Atmosphäre durchaus zuträglich ist. Stilistisch ist der Manga am besten als grotesk-interessant zu bezeichnen.
Die Horror-Elemente beschränken sich überwiegend auf das blutreiche Morden und die verschiedenen Formen, die Tomies Körper, beziehungsweise dessen einzelne Teile, im Verlauf verschiedener Geschichten annehmen. Insgesamt ist die Darstellung recht überzogen und eindeutig als fiktional zu erkennen, ein richtiger Gruselfaktor ergibt sich auf der Bildebene dabei nicht. Zartbesaitete seien trotzdem entsprechend gewarnt. Der Verlag empfiehlt die Zusammenstellung ab 16 Jahren, dieser Einschätzung folgen wir.
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Trailer zum zweiteiligen OVA-Special zu Tomie, bei Crunchyroll als Episode 13 A und B im Stream verfügbar
Zum Schutz vor Anstoßungen ist der Manga im Normalfall eingeschweißt, das Reinschauen im Handel vor Ort ist damit nicht möglich. Allerdings stellt der Hamburger Herausgeber eine Online-Leseprobe bereit, mit der fast das gesamte erste Kapitel kostenlos gelesen werden kann. Außerdem sind die zwei zu Beginn enthaltenen Farbseiten zu sehen.
Fazit
Die Geschichte von Tomie – Es gibt kein Entkommen scheint zunächst episodisch angelegt, nach und nach kristallisiert sich stellenweise allerdings ein roter Faden innerhalb der Handlung heraus. Im Verlauf treten neben Tomie, beziehungsweise deren zahlreichen Abkömmlingen, verschiedene andere Figuren kapitelübergreifend auf, wodurch teils unvorhergesehene Bezüge geschaffen werden. Damit überrascht der Manga durchaus.
Obwohl der Aufbau der einzelnen Geschichten recht ähnlich ist, stellt sich dank der jeweiligen Entwicklungen auch nach mehreren Kapiteln kein Gefühl von Langeweile an. Mangaka Junji Ito spart wie üblich nicht an bizarren Wendungen, weder im inhaltlichen noch visuellen Sinne. Gleichzeitig ist in Tomie – Es gibt kein Entkommen, im Gegensatz zu Gyo – Der Tod aus dem Meer, eine gewisse Erzähllogik zu erkennen.
Im Prinzip ist das grundlegende Konzept des Titels unendlich fortführbar, das Ende der Tragödie ist ohne ein Mittel gegen Tomies übernatürliche Regenerationskräfte schließlich nicht in Sicht. Entsprechend ist sich hier mit einem offenen Ausgang zu arrangieren – der Unterhaltung tut das, wie wir finden, aber keinen Abbruch, im Gegenteil: Der Reiz an der jungen Frau überträgt sich in gewisser Weise auf das Publikum, nach der letzten Seite möchte man gerne noch etwas mehr lesen. Dass verschiedene Fragen (mutmaßlich bewusst) offen bleiben, trägt zu diesem Wunsch ebenfalls bei. Wir würden uns über eine Fortsetzung auf jeden Fall sehr freuen.
5 Bilder
Fans von den zuvor genannten Junji-Ito-Titeln ist natürlich auch diese Reihe vollumfänglich zu empfehlen. Bei dem Werk handelt es sich nicht nur um das Debüt des Zeichners, sondern auch zugleich um die wohl bekannteste Serie. Unserer Meinung nach ist Tomie – Es gibt kein Entkommen, insgesamt betrachtet, sogar die hierzulande bislang interessanteste Veröffentlichung.
Hinsichtlich der Aufmachung der deutschsprachigen Ausgabe sind wir zwiegespalten. Rund 750 Seiten im großformatigen Hardcover sind für 34,00 € wirklich sehr preiswert. Die Bemühungen, die Kosten für die Leserschaft so gering wie möglich zu halten, sind sicherlich lobenswert – allerdings geschieht das hier ganz klar zu Lasten des Lesekomforts.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Zurverfügungstellung eines Belegexemplars.