Special: Osamu Tezukas „Buddha“ – Teil 2: Askese und Erleuchtung
Anfang Juni haben wir ein erstes Special zu Osamu Tezukas Buddha präsentiert – dieses setzen wir nun mit einem zweiten Teil fort.
In Japan ist Buddha zwischen September 1972 und November 1983 in verschiedenen Magazinen von Ushio Shuppansha erschienen. Carlsen Manga! hat die gesamte Reihe von April 2012 bis Oktober 2014 in zehn großformatigen Hardcover-Bänden herausgegeben. Diese zählen jeweils einen Gesamtumfang zwischen 272 und 344 Seiten.
In den Sammelbänden 04 – 07, die wir uns hier im Speziellen genauer angeschaut haben, sind die Kapitel 24 bis 42 enthalten. Das entspricht dem übrigen Teil vom dritten, dem gesamten vierten sowie zwei Kapitel aus dem fünften Handlungsbogen. Jeder Part wird mit mehreren Farbseiten eingeleitet. Für den Release ist ein Preis von 22,90 € pro Band angesetzt, eine E-Book-Ausgabe wird zurzeit nicht angeboten. Dass eine solche noch in absehbarer Zeit folgt, ist unwahrscheinlich.
Inhaltsbeschreibung
Die Welt vor circa 2500 Jahren am Fuße des Himalaja: Bereits seit Jahrtausenden werden die Menschen in Kasten eingeteilt. Sklaven, Kaufleute und Adlige sind jeweils ein eigener Stand innerhalb der Gesellschaft, über ihnen allen stehen nur die sogenannten Brahmanen. Diese sind vom Himmel ausgewählte Gelehrte, denen besondere Kräfte nachgesagt werden. Im Allgemeinen werden sie daher als besonders erhaben betrachtet, selbst Könige sind ihrer Autorität unterworfen.
Der höchste Brahmane hat dem Herrscher des Shakya-Volks zuletzt prophezeit, dass sein Sohn Siddhartha einmal der Herrscher der Welt wird. König Shuddhodana war stolz auf diese Weissagung und fest entschlossen, seinen Erben nach seinem Ideal zu erziehen – doch das ist nicht der Weg, der dem jungen Mann vorherbestimmt ist. Zuletzt hat er sich schweren Herzens von seiner Frau Prinzessin Yasodhara und Kind getrennt, um nach Antworten auf seine Fragen zum Leben zu suchen.
Seine Reise führt Shuddhodana schließlich in den Wald der Askese. Trotz Zweifel an den Praktiken der Mönche, verschreibt er sich über Jahre der Selbsttortur – bis er schließlich auf anderem Wege seine Erleuchtung findet. Damit wird Siddhartha der Titel Buddha, „der Erleuchtete“, verliehen. Fortan ist es seine Lebensaufgabe, zu predigen und seine Lehren zu verbreiten. Die Begründung des Buddhismus.
© 2012, 2013 by Tezuka Productions
Parallel entwickelt sich die Geschichte um Tatta weiter. Nachdem seine gesamte Familie brutal von Soldaten ermordet wurde, hat er Rache am Königreich Kosala geschworen. Tatta lebt inzwischen als Bandit, gemeinsam mit seiner Frau führt er eine Räuberbande an. Im Verlauf der Erzählung trifft er immer wieder auf Siddhartha und beobachtet seine Entwicklung.
Sein Ziel ist es, Siddhartha zurück in seine Heimat zu bringen und dort als König von Kapilavastu einzusetzen. Als solcher würde er über eine Möglichkeit verfügen, gegen Kosala in den Krieg zu ziehen. Während Tatta nach Vergeltung strebt, hat Buddha ein friedliches Miteinander im Sinn …
Visualisierung
Für den deutschsprachigen Release wurden die meisten Panels in ihrer Anordnung gespiegelt, die Leserichtung ist damit westlich – also von links nach rechts zu verfolgen. Auf das Lesevergnügen hat das bei uns wie schon zuletzt keine spürbaren Auswirkungen gehabt, die Neuanordnung der einzelnen Bilder beeinträchtigt den Inhalt unserer Meinung nach aber in keiner Weise.
Die Charaktere im Handlungsmittelpunkt sind aus heutiger Perspektive minimalistisch gezeichnet und haben einen klar karikativen Charakter. Im Ausdruck sind diese zumeist überspitzt, das innere Wesen der jeweiligen Figur wird dadurch auf visueller Ebene herausgearbeitet. Besonderer Detailreichtum zeigt sich dagegen in der Hintergrundgestaltung, insbesondere auf die Natur wurde dabei sichtlich Wert gelegt.
© BUDDHA by Osamu Tezuka © by Tezuka Productions © German translation rights by Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2013
Wie in Kimba spielen auch in Buddha Tiere eine bedeutende Rolle, sie sind ein zentraler Teil des Universums und die ersten Anhänger Buddhas. Osamu Tezuka ging die Bebilderung in dieser Richtung scheinbar spielend von der Hand. Von Rehen bis hin zu Elefanten ist einiges zu sehen. Die Darstellung ist stilistisch zwar relativ einfach gehalten, im Ausdruck aber sehr lebendig. Das Design der Tiere erinnert an ältere Produktionen von Walt Disney.
Carlsen Manga! stellt zur deutschsprachigen Ausgabe pro Band eine separate Online-Leseprobe bereit. Weil der Release schon einige Zeit zurückliegt, führen viele Händler die Reihe nicht mehr aktiv – obwohl das Hineinschauen prinzipiell möglich wäre. Der Titel ist standardmäßig nicht eingeschweißt. Am einfachsten ist ein Blick in die oben verlinkte Preview. Hier sind außerdem zwei der insgesamt dreizehn Farbseiten aus dem fünften Sammelband zu sehen.
Was ist Askese?
Das Wort stammt aus dem Griechischen und meint „üben“. Im theologischen Kontext meint Askese konkret, dem Körper bewusst Schmerzen zuzufügen. Das dadurch entstehende Leid soll die Seele von den Sünden aus den vorangegangenen Leben läutern. Hier ist eine Verbindung zum weitverbreiteten Karma-System zu erkennen, dieses entstammt ebenfalls den indischen Religionen.
In der Vorstellung der Mönche aus Siddharthas Zeit wird der Tod während der Askese als besonders ehrenvoll empfunden. Jede Qual muss die vorherige daher im verursachenden Schmerz übertreffen. Selbst der Verzicht auf Nahrung wird von den Samana, den Bettelmönchen und Asketen, gefordert. Die Askese ist zeitlich nicht begrenzt, Pausen sind dabei nicht vorgesehen. Ein Abbruch der eigenen Peinigung wird unter radikalen Vertretern des Brahmanismus als unehrenhaft verurteilt.
Der Buddhismus ist weniger radikal. In den Lehren Buddhas wird nach heutiger Auffassung eine Balance im Hier und Jetzt angestrebt, körperliche Torturen bis zum Ableben tragen demnach nicht zu einem besseren nächsten Leben bei. Francesco Ficicchia beschreibt den Buddhismus als „pragmatische Haltung der Mitte, die alle Extreme (Selbstkasteiung oder Zügellosigkeit) meidet“. Diese Tradition wird heute unter dem Begriff „Madhyamā-pratipad“ zusammengefasst.
Fazit
Der dritte und vierte Part von Buddha behandeln die Erleuchtung Siddharthas sowie die Anfänge seiner Predigten. Parallel entwickelt sich die Geschichte um Tatta. Das Storytelling erinnert an eine Familiensaga, die einzelnen Handlungsstränge erstrecken sich mittlerweile über zwei Generationen und laufen fließend ineinander über. Inzwischen stehen auch die Kinder einiger aus den beiden vorangegangenen Parts bekannter Figuren im Mittelpunkt.
Um die verschiedenen Plots zu verknüpfen, ist ein auktorialer Erzähler eingesetzt. Dieser gibt zudem regelmäßig Ausblicke auf das noch Kommende. Damit wird gezielt die Aufmerksamkeit des Publikums geschärft. Dabei wird zumeist um Jahre vorausgegriffen. Das belegt eindrücklich die Komplexität der gesamten Geschehnisse, denen wiederum ein merklich durchdachtes Konzept zugrunde liegt.
Protagonist Siddhartha gewinnt auf seinem Weg zum Buddha zunehmend an Reife. Nachdem der junge Mann zuletzt schon das Leben als zentralen Teil des Universums verstanden hat, dreht sich die Reihe nun um Askese. Er beginnt in diesem Zuge, die Qualen und bisherigen Lehren der als heilig geltenden Brahmanen zu hinterfragen. Damit wird schrittweise auf die Begründung einer eigenen Religion hingeführt. Diese argumentative Auseinandersetzung ist gelungen.
© 2013 by Tezuka Productions
Obwohl der Verlauf fortlaufend von Dramatik geprägt ist, erscheint der Manga sehr humorvoll angelegt: Mangaka Osamu Tezuka selbst hat Auftritte, wirbt für seine Manga und lässt die Figuren durch das Wording aus der Rolle fallen. Das passt unserer Meinung nach nicht immer. Sicherlich ist der Humor individuell zu beurteilen, wir persönlich empfinden einige Stellen als etwas zu albern.
Das Leben des realhistorischen Buddhas dient zwar als Grundgerüst für den Manga, zunehmend werden um ihn herum aber auch verschiedene übernatürliche Elemente, etwa Riesen und Hexen, eingestreut. Zukunftsweissagungen beeinflussen die Dynamik zwischenzeitlich ebenfalls merklich. Ein wenig befremdlich, aber zugleich auch passend.
Buddha ist ein durchaus empfehlenswerter Titel – nicht nur von Fans des Mangakas. Wer einmal etwas außerhalb des Manga-Mainstreams lesen möchte und an etwas Abenteuerlichem mit philosophisch-spirituellen Akzenten interessiert ist, ist hier wirklich nicht schlecht beraten. Der kindliche Zeichenstil strahlt einen eigenen Charme aus, je nach eigenen Vorlieben ist sich daran aber erst zu gewöhnen. Uns spricht die Optik an, insbesondere die mühevoll ausgestalteten Hintergründe und die vielen Farbseiten sind schön anzusehen.
Die vorliegende Ausgabe von Carlsen Manga! erachten wir als gelungen. Mit 22,90 € pro Sammelband ist der Release nicht ganz billig, die großformatige Hardcover-Aufmachung und dem Umfang von je rund 300 Seiten wiegt den Preis unserem Empfinden nach aber angemessen auf. An der westlichen Leserichtung haben wir uns wie zuvor nicht gestört, das ist vor allem Gewohnheitssache.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Zurverfügungstellung von Belegexemplaren.