Special: Osamu Tezukas „Buddha“ – Teil 1: Geburt und Kindheit
Nachdem wir zuletzt sowohl den ersten Sammelband der Adolf-Neuausgabe Die Geschichte der 3 Adolfs als auch die Hardcover-Gesamtausgabe von MW besprochen haben, möchten wir mit dieser Artikelreihe nun ein weiteres Werk von dem Manga no kamisama, dem Gott der Manga Osamu Tezuka, in den Mittelpunkt stellen: Buddha.
Carlsen Manga! hat die gesamte Reihe zwischen April 2012 und Oktober 2014 in zehn großformatigen Hardcover-Bänden herausgegeben. Diese zählen jeweils einen Gesamtumfang zwischen 272 und 344 Seiten. In den ersten drei Sammelbänden, die wir uns hier im Speziellen genauer angeschaut haben, sind die Kapitel 01 bis 23 enthalten. Das entspricht dem gesamten ersten und zweiten Part sowie einem Kapitel aus dem dritten Handlungsbogen. Jeder Part wird mit mehreren Farbseiten eingeleitet. Für den Release ist ein Preis von 22,90 € pro Band angesetzt, eine E-Book-Ausgabe wird zurzeit nicht angeboten.
Inhaltsbeschreibung
Die Welt vor circa 2500 Jahren am Fuße des Himalaja: Bereits seit Jahrtausenden werden die Menschen in Kasten eingeteilt. Sklaven, Kaufleute und Adlige sind jeweils ein eigener Stand innerhalb der Gesellschaft, über ihnen allen stehen nur die sogenannten Brahmanen. Diese sind vom Himmel ausgewählte Gelehrte, denen besondere Kräfte nachgesagt werden. Im Allgemeinen werden sie daher als besonders erhaben betrachtet, selbst Könige sind ihrer Autorität unterworfen.
Wer in eine Kaste geboren ist, kann diese unmöglich verlassen – so verlangt es die alte Tradition. Obwohl das gemeine Volk unter diesem aufoktroyierten Gesellschaftssystem leidet, besitzt es nicht die Macht, eigenständig Veränderung zu bewirken. Hungersnöte und Kriege belasten zusätzlich das Leben der einfachen Bürger. Auch Chapra, der Sohn einer Sklavin, und die Familie des jungen Tatta, einem Kind, das über die sonderliche Fähigkeit verfügt, zeitweise den Körper von Tieren zu übernehmen, sind von diesen Umständen gezeichnet.
Um seiner Mutter ein besseres Leben zu ermöglichen, ist Chapra jedoch fest entschlossen, ein großer Krieger in dem Nachbarreich Kosala zu werden. Tatta strebt unterdessen nach Rache an eben jenem Königreich. Damit geraten die Zwei inmitten der kriegerischen Auseinandersetzungen von Kosala und Kapilavastu. In letzterem erblickt um diese Zeit ein Prinz die Welt – der höchste Brahmane prophezeit, dass dieses Kind einmal zum Herrscher der Welt wird. Der Junge trägt den Namen Siddhartha, er wird später der erste Buddha.
Während sich der Auftakt auf das grundlegende Setting und die Geburt Siddharthas fokussiert, rückt der zweite und dritte Sammelband dessen Kindheit und frühe Jugend in den Handlungsmittelpunkt. Damit wird auf den nächsten Teil, die Askese, hingeleitet. Parallel zum heranwachsenden Prinzen verfolgt die Leserschaft das Geschehen um Tatta und weitere Figuren.
Visualisierung
Für den deutschsprachigen Release wurden die meisten Panels in ihrer Anordnung gespiegelt, die Leserichtung ist damit westlich – also von links nach rechts. Auf das Lesevergnügen hat das bei uns keine spürbaren Auswirkungen gehabt, die Neuanordnung der einzelnen Bilder beeinträchtigt den Inhalt nicht. Alles Sache der Gewohnheit. In der Vergangenheit hat der Hamburger Herausgeber diesbezüglich erklärt, dass das Spiegeln der Inhalte Comic-Interessierte außerhalb des Manga-Publikums zum Lesen anregen soll.
In Japan wurden die fast 70 Kapitel erstmals zwischen September 1972 und November 1983 in verschiedenen Magazinen von Ushio Shuppansha veröffentlicht, den Entstehungszeitraum sieht man der Reihe unweigerlich an. Wie Kimba, der weiße Löwe ist Buddha im Stil sehr verspielt angelegt. Trotz der ernsten Inhalte, ist die Darstellung klar humoristisch – ganz im Gegensatz zu Die Geschichte der 3 Adolfs und MW. Diese beiden Werke zeigen über den Verlauf hinweg zwar ebenfalls verschiedene karikative Eigenschaften, sind im Wesentlichen aber ernst gehalten.
Durch das kindliche Design der Figuren liegt Buddha trotz einiger Gewaltinhalte ein besonderer Liebreiz inne, der Retro-Fans gefallen dürfte. Die Gestaltung der verschiedenen Tiere erinnert an Walt-Disney-Produktionen, auch das spiegelt den inneliegenden Zeitgeist wider. Aus technischer Sicht entzücken die mitunter fein ausgearbeiteten Hintergründe und Doppelseiten. Die gesamte Schönheit der Natur ist immer wieder meisterhaft inszeniert.
Carlsen Manga! stellt zur deutschsprachigen Ausgabe pro Band eine separate Online-Leseprobe bereit. Weil der Release schon einige Zeit zurückliegt, führen viele Händler die Reihe nicht mehr aktiv – das Hineinschauen vor Ort ist in der Regel also nicht beziehungsweise nur auf explizite Bestellung möglich. Um den damit verbundenen Aufwand zu sparen, empfehlen wir stattdessen zunächst einen Blick in die verlinkte Preview. Diese umfasst mehrere Seiten aus dem zweiten Sammelband, hier ist außerdem ein Teil der Farbseiten aus dem Auftakt zu sehen.
Historischer Abgleich
Jener Mensch namens Siddhartha, der heute unter dem Namen Buddha weltweit bekannt ist, wurde nach heutigem Wissensstand in der Tat rund 500 Jahre vor Christus im heutigen Nepal als Sohn des Shakya-Königs Shuddhodana geboren. Entsprechend wuchs der Junge in einem höchst privilegierten Umfeld auf. Im Alter von 16 Jahren wurde er mit Prinzessin Yasodhara vermählt.
Osamu Tezuka hält sich bei der Darstellung der titelgebenden Hauptfigur soweit nah an die historischen Überlieferungen. Auch das Kastensystem ist originalgetreu wiedergegeben. Tatta und der Minister Tohuwabohu sind dagegen frei entworfen, andere Figuren nur grob an ein geschichtliches Vorbild angelehnt.
Ähnlich wie das Christentum die zehn Gebote heiligt, ist im Buddhismus der achtfache Pfad von signifikanter Bedeutung. Erste Anklänge in diese Richtung sind auch im Buddha-Manga abgezeichnet. Das Konzept der Wiedergeburt, an dessen Ende das ersehnte Nirvana als Ausbruch aus dem Kreislauf der ewigen Reinkarnation steht, und das Karmasystem sind zwei Ansätze, die schon in den ersten drei Sammelbänden umrissen werden. Mit der ab dem dritten Part beginnenden Askese Siddharthas dürften weitere Lehren behandelt werden.
Fazit
Bei Buddha handelt es sich um eines der längeren und der letzten Werke von Osamu Tezuka. Obwohl reichlich Raum zur Entfaltung gegeben ist, ist die Geschichte äußerst dynamisch angelegt. Mittels Zeitsprüngen wird sich schnell innerhalb der Geschichte fortbewegt, die ersten drei Sammelbände decken rund zwanzig Jahre ab. Darüber hinaus sind gezielte Vorausblicke ein wichtiger Teil des Storytellings. Der Leserschaft wird so wiederholt erklärt, was in der Zukunft passieren wird – die Details aber für einen späteren Zeitpunkt aufgespart. Hier kann der Aufbau der einzelnen Handlungsstränge und Zusammenhänge ganz hervorragend beobachtet werden.
Die Reihe begleitet den jungen Siddhartha auf seinem Weg zur Erleuchtung, zu seiner Rolle als erster Buddha. Osamu Tezuka bindet schon von Anfang an zentrale Teile der buddhistischen Lehren, etwa die Bedeutung von Leben sowie das Unbekannte nach dem Tod, in seine Erzählung ein.
Obwohl der Manga Buddha heißt, kommt Siddhartha – zumindest bis zum aktuellen Stand – nicht unbedingt die Hauptrolle zu. Das Werk ist durch ein Figurengeflecht geprägt, die einzelnen Charaktere ergänzen sich. Das daraus entstehende Zusammenspiel ist merklich konzeptioniert. Die historischen Begebenheiten und die übernatürlichen Anklänge sind dabei sinnhaft zusammengeführt.
Im Zeichenstil liegt eine interessante Ambivalenz. Einerseits ist die Optik kindlich-verspielt angelegt, andererseits ist nicht an Gewalt gespart. Diese ist zwar nie detailliert dargestellt, aber eindeutig als solche wahrzunehmen. Osamu Tezuka bricht innerhalb der Visualisierung nicht selten die Mauern zur außerfiktionalen Realität auf, so haben beispielsweise er selbst und verschiedene seiner Figuren kurze Cameo-Auftritte. Mit kleinen Kommentaren in Sprechblasen von Randfiguren oder kurzen Anmerkungen innerhalb der Panels schafft der Mangaka darüber hinaus spezifische Referenzen.
Bei Buddha handelt es sich insofern auch nicht um eine trockene Biografie, sondern viel eher um eine Abenteuergeschichte mit realhistorischen Bezügen. Zu Unterhaltungszwecken sind diese mit Blick auf die Nebenfiguren ausgeschmückt. Im ersten Drittel ist der Manga überraschend actionreich. Wir sind gespannt, wie sich das mit dem nächsten Handlungsabschnitt, der die Askese Siddharthas zum Thema hat, entwickelt.
Von den ersten drei Sammelbänden sind wir im Prinzip rundum angetan. Trotz der vom Original abweichenden Leserichtung begeistert uns die deutschsprachige Ausgabe, die Aufmachung als großformatiges Hardcover wird dem Inhalt vollumfassend gerecht. Mit 22,90 € pro Band ist der Release zwar nicht unbedingt billig, die wertige Aufmachung stellt unserer Meinung nach aber einen sehr angemessenen Gegenwert dar.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Zurverfügungstellung von Belegexemplaren.