Review zur Deluxe Edition von Junji Itos „Lovesickness – Liebeskranker Horror“
Ende Juli wurde die US-amerikanische Ausgabe von Lovesickness – Liebeskranker Horror mit einem Eisner Award ausgezeichnet. Nur kurze Zeit später ist der Titel bei Carlsen Manga! auf Deutsch erschienen. Wir haben das Werk gelesen und berichten euch im Folgenden von unseren Eindrücken.
Der Hamburger Verlag hat das Werk offiziell zum 02. August auf den Markt gebracht. Bei dem Release handelt es sich wie schon bei den vorangegangenen Junji-Ito-Titeln um eine sogenannte Deluxe Edition, also um ein großformatiges Hardcover. In dem rund 400 Seiten starken Gesamtumfang ist zu Beginn eine Farbseite enthalten Die Buchaußenseite ist zudem großzügig mit Spotlack veredelt. Als Preis sind 24,00 € angesetzt, eine E-Book-Fassung wird nicht angeboten.
Inhaltsbeschreibung
Schon als Kind hat Ryosuke in Nazumi gelebt. In der Stadt gibt es einen seltsamen Brauch: Wer in Sachen Liebe Rat benötigt, spricht auf der Straße den erstbesten Passanten an und bittet um eine Prophezeiung. Ryosuke wurde damals ebenfalls angesprochen – aus Wut über den bevorstehenden Umzug hat er einer schwangeren Frau im Affekt kein Glück in ihrem Anliegen versprochen. Daraufhin hat diese sich und dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch mit einem Teppichmesser das Leben genommen.
Acht Jahre später kehren Ryosuke und seine Familie nach Nazumi zurück, noch immer zieht dichter Nebel durch die engen Straßen. Auch die Tradition rund um die Prophezeiungen hat sich seitdem nicht verändert. Alles erinnert den Jugendlichen unweigerlich an damals, seine Schuldgefühle gegenüber jener Frau sind plötzlich wieder präsent und stark wie nie zuvor.
Kurze Zeit später erschüttert auf einmal eine ganze Serie von Selbstmorden den Ort. Mehrere Mädchen haben sich das Leben genommen, nachdem ihnen eine mysteriöse Gestalt Pech in der eigenen Liebe vorausgesagt hat. Obwohl die Suizidfälle nicht abreißen, haben die Schülerinnen keine Angst.
Sie alle möchten unbedingt jenem Mann begegnen, der diese verhängnisvollen Prophezeiungen überhaupt erst ausgesprochen hat. Es heißt, er sei groß, trage schwarze Kleidung und habe einen Ohrring – die personifizierte Schönheit. Schon bald entwickelt sich aus der anfänglichen Neugier eine kranke Obsession, die weit über die Grenzen des Lebens hinausgeht …
Neben den insgesamt fünf Kapiteln von Lovesickness beinhaltet die Zusammenstellung vier weitere Kurzgeschichten: Die seltsamen Geschwister Hikizuri, Das Haus der Phantomschmerzen, Die Rippenfrau und Erinnerungen an echte Scheisse. Die Ausgabe basiert dabei auf dem vierten Band der japanischen Itou Junji Kessakushuu.
Visualisierung
Die enthaltenen Geschichten sind allesamt bereits vor über 20 Jahren – vorwiegend Mitte bis Ende der Neunzigerjahre – entstanden. Das sieht man den Zeichnungen entsprechend an. Zu dieser Zeit war der Stil von Junji Ito weniger ausgereift als heute. Unzählige Striche prägen die Optik, alles wirkt etwas wild. Gleichzeitig verleiht gerade das, in Kombination mit den starken Schwarz-Weiß-Kontrasten, eine schaurig-düstere Atmosphäre. Die Darstellung des Nebels ist dabei besonders gelungen.
Um diesen Inhalt sehen zu können, musst du der Verwendung von Cookies für YouTube zustimmen.
Obwohl die Kapitel mitunter vergleichsweise textlastig sind, ist der Lesefluss einwandfrei. Sowohl die innliegende Spannung als auch das ordentlich entworfene Paneling ermöglichen es, einfach voranzukommen. Zartbesaitete müssen sich auf reichlich Gore einstellen, der dahingehend zu erwartende Detailgrad ist in etwa mit Dorohedoro vergleichbar. Darüber hinaus wird Suizid behandelt und abgebildet.
Zum Schutz vor Beschädigungen ist der Manga eingeschweißt, das Reinschauen im Handel vor Ort ist damit im Normalfall nicht möglich. Allerdings stellt der Hamburger Verlag eine Online-Leseprobe bereit, mit der mehr als die Hälfte vom ersten Kapitel von Lovesickness kostenlos gelesen werden kann.
Fazit
Bei Lovesickness – Liebeskranker Horror handelt es sich zwar um eine Sammlung von hierzulande etwas weniger bekannten Arbeiten von Junji Ito, dennoch sind die enthaltenen Erzählungen allesamt sehr typisch für den preisgekrönten Horror-Mangaka. Jede einzelne Story ist auf ihre eigene Art herrlich bizarr-verschroben, an grotesken Inhalten ist wie üblich nicht gespart. Insbesondere das bloß vierseitige Erinnerungen an echte Scheisse wird auf viele sicherlich äußerst skurril wirken.
Im Gegensatz zu Gyo – Der Tod aus dem Meer sind die verschiedenen Geschichten überwiegend ernstzunehmend abgefasst. Gerade die in den ersten beiden Kurzgeschichten enthaltenen Plot Twists sind im Rahmen des eigentümlichen Storytellings geradezu überraschend gut inszeniert. Visuell ist die Zusammenstellung auf dem gewohnten Niveau, die Leserschaft wird nicht geschont. Fans des Mangakas dürften insgesamt nicht enttäuscht sein, auch zum Einstieg in die Welt von Junji Ito scheint uns der Titel neben Shiver - Meisterhafte Horrorgeschichten durchaus empfehlenswert.
Die titelgebende Erzählung wurde bereits teilweise im Rahmen der dritten Folge des Junji Ito Collection-Animes adaptiert, Crunchyroll bietet den Titel kostenlos zum Streamen an. Damit können sich Interessierte innerhalb weniger Minuten einen eigenen Eindruck von dem Werk verschaffen. Hinsichtlich der gebotenen Schauder-Atmosphäre überwiegt der Manga unserer Meinung nach allerdings deutlich.
Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Zurverfügungstellung eines Belegexemplars.